Klimaschutz: Chancen und Risiken der Digitalisierung

Veröffentlicht am 22. März 2019

Fridays for Future

Über 300.000 Menschen waren am vergangenen Freitag in Deutschland unter dem Motto Fridays For Future für den Klimaschutz auf den Straßen. Auch heute wird wieder demonstriert. Egal ob Schulkinder oder engagierte Rentner*innen: alle schauen besorgt auf die nächsten Jahrzehnte. Ihre Sorge ist begründet: Deutschland verfehlt seine Klimaziele krachend. Anstatt jetzt die Notbremse zu ziehen, gründete Merkel einen Arbeitskreis, ihr Klimakabinett. Blabla statt Aktion. Kein Wunder, dass die Kinder und Jugendlichen ankündigen, ihre Streiks fortsetzen zu wollen. Zumal das gutmütige Schulterklopfen von Angela Merkel, Annegret Kramp-Karrenbauer und Co. nicht gerade suggeriert, dass sie die Sorgen und Ängste der Fridays For Future Bewegung ernst meinen.

Dabei gäbe es so viel zu tun, so viel Potenzial, das man schon jetzt ausschöpfen könnte – und müsste.

Schauen wir in die Zukunft, so lässt sich eines schon jetzt sagen: die smarte Welt, in der es uns gelingen würde durch Effizienzgewinne und intelligente Steuerung von Energie, Verkehr und Produktion, durch einen intelligent gesteuerten Mitteleinsatz in der Landwirtschaft unseren ökologischen Fußabdruck deutlich zu verkleinern, ist technologisch zum Greifen nahe. Die Digitalisierung hat Potenzial für wirksame Maßnahmen beim Klimaschutz.

Ein Beispiel: gerade der Verkehrssektor hinkt momentan bei der CO2 Reduktion hinterher. Eine intelligente Kombination von Sharing-Diensten, Öffentlichem Nahverkehr und autonomen Fahren könnte das ändern. Ideen gibt es dazu viele – sie müssen nur politisch entsprechend gefördert werden. Wir brauchen ein Umdenken bei der Verkehrspolitik: Weg von den Verbrennern und hin zu vernetzten Lösungen, einer Kombination aus Elektromobilität, weniger Individualverkehr, klugen Sharing Ansätzen – zumindest langfristig. Doch Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Die Transformation kann nur gelingen, wenn Digitalisierung nicht sich selbst überlassen wird.

Schöne neue Digitalwelt

Ingrid Nestle, Stefan Gelbhaar und ich beschreiben in unserem Diskussionspapier “Digitalisierung und Ökologie” bewusst auch die erheblichen ökologischen Risiken der Digitalisierung.

Digitalisierung ist nicht automatisch öko, nur weil die digitale Welt irgendwie sauber wirkt.

Genauso denkbar ist es, dass wir uns mit und sogar dank der vielen wunderbaren Technologien, die das digitale Zeitalter bietet, eher noch weiter und schneller in die falsche Richtung bewegen. Wenn nämlich die Effizienzgewinne beim Energie und Ressourcenverbrauch nur mehr Konsum befeuern. Wenn die Informationstechnologie, die wir einsetzen, selbst so viel Energie und Ressourcen verbraucht, dass sämtliche Einsparungen dadurch überkompensiert werden. Wenn die Rohstoffe, die wir für diese Technologien brauchen, ähnlich bedenklich bis skrupellos ausgebeutet werden wie Erdöl, Kohle und Erdgas heute. Wenn die Wirtschaft sich immer mehr in Richtung digitaler Turbokapitalismus entwickeln sollte.

Vielleicht auch, wenn wir uns in einer virtuellen Welt verlieren und damit das Gefühl für die Spielregeln der realen Welt und die Grenzen der Natur.

Das macht in meinen Augen klar: Digitalisierung muss politisch gestaltet werden – ansonsten kann aus einer chancenreichen Dynamik ganz schnell ein albtraumhafter Selbstläufer werden.

 

Politik muss Digitalisierung nachhaltig gestalten

Nach einer Berechnung der französischen Regierung könnte sich der Stromverbrauch durch digitale Anwendungen bis 2030 weltweit verzehnfachen. Schon jetzt ist der IT induzierte CO2 Ausstoß höher als der durch Flüge und Schifffahrt zusammen. Auf diese Herausforderung muss die Stromerzeugung jetzt reagieren, damit gewährleistet ist, dass wir schnellstmöglich weg von Kohle und Co kommen können. Ein CO2-Preis muss externe Folgekosten enthalten, damit Verkehr, Energie und Produktion umsteuern.

Ökologische Chancen und Risiken spielen bei der Digitalpolitik der Bundesregierung derzeit kaum eine Rolle. Das ist vermessen und zukunftsblind. Wir setzen uns daher für einen strategischen Ansatz für eine “öko-digitale” Politik ein.

Und last but not least: Akteur*innen, die eine aktive Rolle bei der ökologischen Transformation und beim Klimaschutz spielen wollen, Social Entrepreneurs oder Genossenschaften zum Beispiel, aber natürlich auch jene Unternehmen, gerade im Mittelstand, die Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft verankert haben oder sich aufmachen, das zu tun, wollen wir politisch stärken.

Klimaschutz gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen. Wenn wir die die Aufbruchstimmung durch Fridays For Future nicht mit einem gönnerischen Schulterklopfen abtun, sondern den gesellschaftlichen Diskurs als Chance sehen.

Denn nur, wenn Klimaschutz auch gesellschaftlich ein Thema wird, wenn wir laut Änderungen einfordern, haben wir eine Chance darauf, die dramatische Klimaentwicklung in den Griff zu kriegen. Das geht aber nicht ohne politischen Willen und politische Steuerung – das Beispiel Digitalisierung zeigt das einmal mehr.

Video: Fridays for Future in München