Endlich hat es das Wirtschaftsministerium nach langem Warten geschafft, die Wasserstoffstrategie vorzulegen, gefolgt vom Handlungskonzept Stahl. Die Papiere waren längst überfällig. Denn gerade die Stahl-Industrie ist neben strukturell ohnehin schon schwierigen Rahmenbedingungen durch die Coronapandemie weiter in Bedrängnis geraten. Das zuvor schon bestehende Problem massiver Überkapazitäten hat sich weiter verschärft.
Gleichzeitig bleibt die Herausforderung rund um die Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie hochaktuell. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen in der EU um 40 Prozent sinken. Spätestens 2050 soll auch die Stahlindustrie „klimaneutral“ produzieren.
Die Corona-bedingten weltweiten wirtschaftlichen Einschnitte haben zwar zeitweise für einen merklichen Rückgang der Emissionen, über das Jahr kann jedoch höchstens mit einem Emissionsrückgang von 4-7 Prozent gerechnet werden. Damit lägen die diesjährigen weltweiten Emissionen trotz Corona-Krise im Mittel der letzten 10 Jahre und gehörten somit immer noch zu den höchsten jemals gemessenen Emissionswerten. (Quelle: Hans-Josef Fell)
Papier ist geduldig – das Klima nicht
Für eine weitgehend CO2-freie Stahlindustrie werden Kapazitäten von etwa 58 000 Megawatt benötigt. Aus diesem Grund ist es zu begrüßen, dass nach langem Warten nun die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung erschienen ist, die klären soll, wie diese Kapazitäten geschaffen werden sollen. Jedoch ist durch die Strategie längst kein konkreter, klarer Fahrplan in Sicht.
Das zeigte sich jetzt auch in den Antworten auf die Kleine Anfrage “Nachhaltige Entwicklung der energieintensiven Grundstoffindustrie”. Beispiel: das vielversprechende Pilotprojekt zu Carbon Contracts for Difference muss erst noch ausgearbeitet werden, genaue Informationen konnte das Ministerium nicht geben. Oder zum Thema Beimischung von grünem Stahl ist derzeit noch alles im offenen Verfahren, die BReg prüfe, wie es um die Option der Beimischung von grünem Stahl bzw. generell Kreislaufwirtschaft Produkten stehe. Viele wichtige, drängende Fragen werden kaum oder nur unzureichend beantwortet.
Immerhin: die Bundesregierung prüft ein neues „Important Project of Common European Interest“ für den Bereich der Wasserstofftechnologie. Hier werde ich in einigen Wochen mittels einer Schriftlichen Frage den Stand erfragen.
Die Industrie braucht klare Planbarkeit
Im Großen und Ganzen aber bleibt das Problem bestehen: die Bundesregierung prüft, plant und überdenkt. Auch wenn wir nach der Investitionssicherheit für die Dekarboniesierung der industriellen Anlagen und Prozesse fragen: die BReg prüft.
Das Problem ist: die Unternehmen müssten JETZT investieren. Die Bundesregierung hat die richtigen Maßnahmen vor Augen, aber kommt nicht in die Gänge.
Guter Wille reicht allein nicht: die Bundesregierung muss den nötigen Maßnahmen und Projekten absolute Priorität einräumen, ansonsten verschlafen wir die wichtige Investitionsphase der Industrie, in der wir gerade stecken. Wenn ich Unternehmer bin und nicht weiß, ob sich der aufwändige und teure Umbau tatsächlich rentieren wird – auf welche Karte werde ich dann setzen? Die Bundesregierung ist zu zögerlich und muss für Planbarkeit sorgen!