Update für das Digitalisierungs-Chaos

Veröffentlicht am 24. März 2021

Die Corona-Pandemie rückte massive Defizite der Digitalisierung in Deutschland in den Fokus. Trotzdem sieht die Bundesregierung unverändert keinen Nachbesserungsbedarf.

Parallelstrukturen und Verantwortungsdiffusion bei der Digitalisierung sorgen innerhalb der Bundesregierung und zwischen Bund und Ländern bekanntermaßen schon länger für Kritik. Jüngste Beispiele der Vielzahl an Verantwortlichkeiten für die Digitalisierung sind hier das Durcheinander bei digitalen Lernplattformen an Schulen, die Nutzung unterschiedlicher Software in Gesundheitsämtern oder auch die Corona-Warn-App, präsentiert von vier Bundesministern. Diese wird, wenn überhaupt, nur verspätet dazu in der Lage sein Funktionen zum Einchecken und zur Clustererkennung bei Veranstaltungen oder Restaurantbesuch zu integrieren. Sogar potenzielle Interessenkonflikte innerhalb des Innenministeriums zeichnen sich beim Thema IT-Sicherheit, Verschlüsselung und der Arbeit und den Datenzugriffsrechten von Geheimdiensten ab.

Wenn alle ein bisschen mitmischen macht es am Ende niemand richtig.

 

DIGITALHAUSHALT

Der Klassiker dieses Chaos ist – und täglich grüßt das Murmeltier – der fehlende Überblick über digitalpolitisch relevante Haushaltsposten. Ein solcher Digitalhaushalt wurde auch für 2021 zum wiederholten Male nicht vorgelegt. Eine fehlende ministerienübergreifende Definition von digitalpolitisch relevanten Haushaltsposten erschwert dies. Unter anderem auch deshalb hat sich die Ankündigung, künftig einmal im Jahr einen Digitalhaushalt vorzulegen, als leere Versprechung herausgestellt. Stattdessen redet man sich damit raus, dass man mit der Antwort auf Nachfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen (Drucksache 19/26651) der Berichtspflicht nachgekommen sei. Dabei ist das eine Bringschuld der Bundesregierung und keine Holschuld des Parlaments.

Die Bundesregierung kann einen Digitalhaushalt vorlegen. Sie muss es nur wollen.

Eine Übersicht über digitalpolitische Haushaltsposten 2020-2021 finden Sie nun also HIER. Aus dieser geht auch hervor, dass der in den letzten Monaten viel beschworene Digitalisierungsschub bei kleinen und mittelständischen Unternehmen, wie auch dem Einzelhandel, kaum Unterstützung durch diese Bundesregierung erfährt. Der Mittelabfluss des BMWi-Programm „Digital Jetzt” ist mit ca. 5% einfach zu mickrig. Dabei wurde diese Förderung für die schnelle Digitalisierung des Mittelstands gerade angesichts der Pandemie im September 2020 aufgesetzt.

 

LERNEN AUS DER KRISE

Trotz Monitoring der eigenen Digitalpolitik, auch durch Studien und Gutachten, ergibt sich für die Bundesregierung dennoch kein grundsätzlicher Bedarf zur Evaluation und Neuausrichtung. Viel eher verweist man auf unveränderte Ansichten, die man schon vor der Pandemie, bereits vertreten hat (Drucksache 19/17277).

Die deutsche Digitalpolitik braucht im Herbst dringend einen umfassenden Neustart!

Dabei besteht enormer Nachbesserungsbedarf die Vielzahl an Verantwortlichkeiten für die Digitalisierung besser zu bündeln und zu koordinieren. Auch das ist Teil dessen, was wir aus der Krise lernen sollten. Der Verantwortungs- und Koordinierungsdiffusion muss lösungsorientiert und pragmatisch endlich begegnet werden. Auch eine Technologie-Task Force im Kanzleramt könnte helfen Innovationsprozesse in die Ministerien und Behörden zu tragen.