Planungsbeschleunigung – der Schlüssel für die Energiewende und Innovation

Veröffentlicht am 15. September 2021

Im Grunde wissen es alle: Genehmigungsverfahren für Infrastruktur, den Ausbau der Erneuerbaren Energien und den Digitalausbau dauern viel zu lange, 20 Jahre sind keine Seltenheit. Das ist ein Risiko und eine Bremse für echte Innovation. Die langen Verfahren setzen aber auch das Erreichen unserer Klimaschutz Verpflichtungen aufs Spiel. Nun fordert auch die Union in ihrem „Sofortprogramm“ vollmundig „Fast-Track-Genehmigungsverfahren“. Leider ist dem inhaltlich nichts weiter zu entnehmen. Schauen wir also einmal, anstatt mit Buzzwords um uns zu schmeißen, auf die tatsächlichen Probleme und Lösungsmöglichkeiten beim Planungsrecht.

1. Bürger:innen transparent beteiligen

Immer wieder wird behauptet, Umweltverbände würden Planungsvorhaben torpedieren und verzögern. Das stimmt so nicht: Der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen kommt in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Verbandsklagen nur in sehr geringem Umfang eingesetzt
werden. Gerade mal durch 0,04 Prozent der abgeschlossenen Verfahren bei den Verwaltungsgerichten wurden durch Verbandsklagen veranlasst. Von diesen Verbandsklagen waren etwa 50 Prozent erfolgreich – das zeigt ja, dass wichtige Umwelt- und Naturschutzaspekte bei den Planungen zum Teil auf der Strecke geblieben sind.

Deshalb kann es nun nicht die Antwort sein, Beteiligungsmöglichkeiten für Verbände oder Bürgerinnen und Bürger gekürzt werden. Im Gegenteil: Um das Risiko von Widerständen und Klagen gering zu halten, macht es Sinn, Bürger:innen möglichst früh und möglichst transparent zu beteiligen. Es braucht eine verbindliche, umfassende und frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Prüfung von möglichen Alternativen. Und zwar schon frühzeitig. Anstatt stur auf dem einen Plan zu beharren, macht es Sinn schon vorab Projektalternativen und Nullvarianten mit einzubeziehen.

Baden-Württemberg unter Winfried Kretschmann hat es übrigens vorgemacht: Als erstes Bundesland hat Baden-Württemberg die Verwaltungen der Regierungspräsidien sowie der Land- und Stadtkreise zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtet.

2. Personal aufstocken!

Die Planungs- und Genehmigungsbehörden sind nicht ausreichend ausgestattet. Jahrelang wurde Personal abgebaut. Ähnlich schaut es bei den Gerichten aus. Die Verfahren bleiben zu lange liegen, gerade wenn sie komplexer sind, weil es einfach nicht genug Leute gibt, diese zu bearbeiten. Und auch die Träger öffentlicher Belange, zum Beispiel Naturschutzbehörden, kommen bei den Rückmeldungen an die Planungsbehörden in zeitliche Bedrängnis.

Um es klar zu sagen: Die Behörden und Gerichte sind der Flaschenhals bei den Genehmigungsverfahren. Damit Planungen wirklich beschleunigt werden können, muss das Personal aufgestockt werden.

Wir haben in unserem Beschluss vom Dezember 2020 deshalb vorgeschlagen, eine Bund-Länder-Vereinbarung mit klaren Zielquoten und Finanzierungswegen umzusetzen. Neben weiteren Vorschlägen in dem Beschluss haben wir auch die Idee eingebracht, Absolvent:innen in den Bereichen Planung, Planungsrecht und Ingenieurwesen finanziell zu fördern und dies an einen bestimmten Zeitraum im Staatsdienst zu knüpfen.

Der Personalmangel ist so drastisch, dass wir hier auch einmal neue Wege zulassen müssen und mutig sein müssen.

3. Bessere Zusammenarbeit mit den Umweltverbänden

Im Grunde stößt das dritte Thema ins selbe Horn wie Punkt 1. Dabei macht es Sinn, von Anfang an mit Naturschutz- und Umweltverbänden zusammen zu arbeiten. Momentan wird die Expertise der Verbände, wenn überhaupt, nur
am Rande einbezogen. Wir haben es doch aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt: es ist mehr als sinnvoll, frühzeitig auch die möglichen kurz- und langfristigen Auswirkungen auf das lokale und globale Klima zu bewerten und mit zu berücksichtigen. Unser Beschluss von 2020 bringt es auf den Punkt: wir wollen „in Genehmigungsverfahren mit einer verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfung eine Klimaverträglichkeitsprüfung integrieren, die kurz-, mittel- und langfristige überregionale Klimawirkungen analysiert. Sind die Folgen für das Klima absehbar negativ, können Projekte nur mit Auflagen genehmigt werden oder dürfen überhaupt nicht mehr weiter verfolgt werden. Neben dem Klimaschutz wird so auch gewährleistet, dass die Investitionen langfristig gesichert sind. Damit wird vermieden, dass etwaige Investitionen vorzeitig abgeschrieben werden müssen, wenn sie absehbar nicht mit den nationalen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitszielen vereinbar sind.“

Durch einheitliche Standards bei der Bewertung von Natur- und Artenschutzvorgaben kann Behörden und Vorhabenträgern die Prüfung
erleichtert werden. Dazu müssen bundesweit einheitliche Leitlinien für naturschutzfachliche Gutachten festgelegt werden.

4. Digitalisierung nutzen, Verfahren vereinfachen

Eigentlich selbsterklärend, aber es ist für mich absolut unverständlich, wieso wir nicht längst eine öffentliche Informations- und Datenplattform haben. Mit einer solchen verkehrsträgerübergreifende Basisdatenbank für Kartier- und Artendaten inklusive eines Datenbestandes über Vorkommen und Populationszustand geschützter Arten hätten wir die nötige Grundlage für frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung und es würde schon im Vorfeld die Planung deutlich erleichtern. Jahrelange Verzögerungen in späteren Genehmigungsverfahren könnten so einfach vermieden werden. In meinen Augen muss das absolute Priorität haben.

Momentan bleibt das Potential, das durch die Digitalisierung von Abläufen und Formaten entstehen würde, vollkommen außen vor. Wir müssen also für schnellere Planungsverfahren zu erst einmal begreifen, dass wir digitale Standards brauchen. Das ist in anderen Branchen längst üblich. Und auch die Digitalisierung von Planungsunterlagen muss zügig und flächendeckend verpflichtend werden. Und: warum nicht auch digitale Beteiligungsformate als Alternative zu physischen Formaten testen? Gerade jetzt in der Pandemie haben wir doch die Chancen dessen kennen gelernt.

Schließlich ist es aber auch noch wichtig, Vezögerungen durch die doppelten Prüfverfahren von Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren abzubauen. Das könnte klappen, indem Arbeitsschritte verzahnt werden. Ein Beispiel aus unserem Beschluss: „Beispielhaft könnte die in Bürgerdialogen des Raumordnungsverfahrens empfohlene Vorzugsvariante von Strecken- und Trassenverläufen bereits am Ende des Raumordnungsverfahrens verbindliche Wirkung entfalten. Im daran anschließenden Zulassungsverfahren, das bisher regelmäßig eine vollständige Prüfung von Alternativen vorsieht, wären nur diejenigen Einzelheiten zu prüfen, die nicht bereits Bestandteil des Raumordnungsverfahrens gewesen sind.“

Fazit

Mehr Kooperation statt Konfrontation, einfachere und unbürokratischere Verfahren, die Chancen der Digitalisierung nutzen und eine Personaloffensive angehen: damit schaffen wir eine echte Planungsbeschleunigung und packen die Probleme bei der Wurzel. Wir haben einen Plan und detaillierte Maßnahmenpakete im Programm, statt nur schöner Worte und ein Bashing berechtigter Einwände von Bürger:innen. Für den Kraftakt der Energiewende, der sozial-ökologischen Transformation brauchen wir alle an Bord. Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Zeit zu vertrödeln. Wir müssen ins Handeln kommen. Jetzt.