Industriestrategie: Dem Minister fehlt der Mut – das ist kein Aufbruch in die postfossile Zukunft

Veröffentlicht am 29. November 2019

Zur heute vorgestellten Industriestrategie von Minister Altmaier erklären Dieter Janecek und Katharina Dröge.

DIETER JANECEK, SPRECHER FÜR INDUSTRIEPOLITIK UND DIGITALE WIRTSCHAFT:

„Die deutsche Industrie ist bereit für den Aufbruch ins postfossile Zeitalter – dem Bundeswirtschaftsminister fehlt aber Mut und Gestaltungskraft, diese Transformationsprozesse zu unterstützen. Ohne einen drastischen Ausbau der Erneuerbaren sind Sprunginnovationen in den Grundstoffindustrien undenkbar.

Eine langfristige und wirksame Klimaschutzstrategie, ein wirksamer CO2-Mindestpreis und eine Förderung industrieller Leuchtturmprojekte würden Rückenwind geben – diese Visionen fehlen in Altmaiers Strategie jedoch. Stattdessen bleibt die Strategie nur an der Oberfläche, konkrete Vorhaben und Fristen bleiben aus. Die Industrie braucht Planungssicherheit, wenn Deutschland zum Technologievorreiter in Sachen klimaneutrale Industrieprozesse werden will.

Auch mit bei der Gestaltung der digitalen Transformation bleibt die Strategie weit hinter den Möglichkeiten zurück. Vom im Koalitionsvertrag verankerten Ziel Verschlüsselungsland Nummer Eins zu werden, hat sich der Minister längst verabschiedet.“

KATHARINA DRÖGE, SPRECHERIN FÜR WIRTSCHAFTSPOLITIK:

„Altmaier musste einsehen, dass große Teile seiner alten Industriestrategie Unsinn waren. Das ist gut so. Leider ist das, was er nun vorgelegt hat, auch kein Zukunftsplan für die deutsche und europäische Industrie.

Die zentrale Forderung seiner alten Industriestrategie war eine Aufweichung des Kartellrechts. Hier ist Altmaier massiv zurückgerudert. Ganz scheint er seine Ideen zur Lockerung des Kartellrechts und zum Kauf deutscher Unternehmen aber nicht aufgeben zu wollen. Die Vorschläge, die er hier macht, sind so unklar, dass sie viele Fragen aufwerfen.

Für Altmaier ist Industriepolitik offensichtlich im Kern Deregulierung. Er will Arbeitnehmerrechte schwächen, indem er vorschlägt, die tägliche Höchstarbeitszeit abzuschaffen und die Auftraggeberhaftung beim Mindestlohn auf missbrauchsanfällige Branchen zu begrenzen. Er stellt sich gegen Steuertransparenz auf europäischer Ebene (country-by-country-reporting) und will im selben Atemzug pauschale Steuersenkungen für Unternehmen in Deutschland durchsetzen. Er spricht über Klimaschutz, aber für ordnungspolitische Instrumente, die die anstehende Transformation erst möglich machen, fehlt ihm der Mut. CCS will er fördern, die Windenergie erwähnt er mit keinem Wort. Unterm Strich läuft diese Politik auf einen Bestandsschutz für fossile Industrien hinaus.

Altmaiers Konzept geht zulasten von Arbeitnehmern und Umwelt. Das ist keine zukunftsfähige Industriepolitik. Notwendig wäre eine Politik, die zielgerichtet die ökologische Transformation der Industrie fördert, starke Arbeitnehmerrechte in den Mittepunkt stellt, Instrumente zum Schutz vor unfairem Wettbewerb weiterentwickelt und eine Investitionsoffensive in Klimaschutz und öffentliche Infrastruktur finanziert.“

 

Veröffentlicht als Presse-Statement der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen am 29.11.2019