Die Mär vom Linksrutsch

Veröffentlicht am 13. September 2021

Es ist Wahlkampf, die Debatten werden schärfer und der Ton rauer. Die Union warnt nunmehr vor dem Schreckgespenst eines Linksrutsch. Tatsächlich scheint das 14 Tage vor dem 26. September sogar zur Haupterzählung der CSU zu werden. Zumindest, wenn man sich deren Leitantrag zum CSU Parteitag einmal anschaut.

Die CSU hat so viel Angst vor einem herbeigeträumten Linksrutsch, dass sie ein komplett unsoziales Paket vorlegt, das sich ausschließlich an die richtet, die schon besser gestellt sind. Oder anders formuliert: Alles jenseits der rückwärtsgewandten Programmatik der Union lässt sich als „links“ bezeichnen. So lange in Deutschland jedes 5. Kind als arm gilt und so lange Frauen immer noch 18 Prozent weniger Gehalt bekommen als Männer, ist eine sozialere und gerechtere Politik auch offensichtlich bitter nötig.

Geist, Gespenst, Bildquelle: Pixabay

Der unsoziale Antrag der CSU im Überblick

Die CSU scheint so viel Abneigung gegen soziale Politik zu haben, dass Soziales in deren Antrag quasi nicht vorkommt:

Die Idee der Union: Arbeit schafft Wohlstand. Einen Mindestlohn für eine faire Zahlung dieser Arbeit sucht man wiederum vergeblich.

Kinderarmut oder Gleichberechtigung kommen im Antrag überhaupt nicht vor.
Armut wird nur im Kontext von Rente thematisiert. Dass aber wiederum vor allem Frauen im Alter arm sind (46 Prozent weniger Rente im Alter als Männer) findet da keinen Platz. Denn die Maßnahmen, die diesen Misstand beheben könnten, passen halt nicht so gut ins konservative Weltbild der CSU. Die schlägt lediglich vor, eine Mütterrente einzuführen – was aber noch nicht einmal die CDU für tragfähig hält, so dass es diese Forderung nicht in das Wahlprogramm der Union geschafft hat.
Die CSU schreibt, sie werde Familien entlasten. Die Wahrheit ist: nur besser gestellte Familien. Denn nur denen nützen ein Steuerfreibetrag und Steuervorteile bei Haushaltsnahen Dienstleistungen. CSU macht Politik für die, die eh schon gut dastehen. Sagt auch das ifo-Institut und das ZEW.
Die CSU rühmt sich in deren Antrag damit, mehr Elternzeit zu ermöglichen. Fakt ist aber: sie wollen mit ihren lediglich zwei zusätzlichen Partnerschaftsmonaten am allerwenigsten von allen Parteien anbieten.
Funfact zum Schluss: neben der so genannten AfD ist die Union mittlerweile die einzige verbliebene Partei, die gegen ein Wahlrecht ab 16 ist.

Soziale Politik ist nichts Negatives!

Das ZEW hat in seinem Simulationsmodell neben Steuern noch Mindestlohn, Mini-Jobs, Kindergeld und Kindergrundsicherung angeschaut.
  • entsprechend der Pläne von SPD, Linke und Grüne würden fiskalische Mehreinnahmen generiert
  • bei FDP, Union und AfD entstehen dem Fiskus Mehrausgaben im zweistelligen Mrd.€-Bereich,
  • mit Plänen der SPD, Linke und Grüne würden niedrigere und mittlere Einkommen im Schnitt profitieren, so dass die Schere zwischen den Einkommen sich endlich etwas verringern würde und alle Menschen mehr Chancen auf ein würdiges und abgesichertes Leben haben können, Einkommensungleichheit würde abnehmen
  • mit Plänen der FDP, Union und AfD würden höhere Einkommen  deutlich stärker profitieren als niedrigere Einkommen, die (relative) Einkommensungleichheit würde also zunehmen.
  • unter den Reformvorschlägen von SPD, Linke und Grüne würden gerade Alleinerziehende mit Kindern profitieren. Unter FDP, Union und AfD würden Spitzenverdiener am meisten profitieren.

Ist Grüne Politik also weiter links zu verorten als die der Union? Ja! Ist das etwas Negatives? Nein! Im Gegenteil. In den vergangenen Jahren wurden Reiche immer reicher, Arme immer ärmer (unter Corona hat dieser Effekt noch einmal zugenommen). Ein „Linksrutsch“ ist kein Schreckgespenst. Eine sozialere Politik für Deutschland ist längst überfällig.