Trostberg. „In Bayern gibt es noch viel zu viele weiße Flecken beim Breitbandausbau“, bemängelt der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Dieter Janecek. Der Sprecher für digitale Wirtschaft und digitale Transformation der Bundestagsfraktion schaute am Dienstag beim Ortsverband der Grünen in Trostberg vorbei. Im „Pfaubräu“-Biergarten wurde über Themen wie Digitalisierung und Breitbandausbau, für den Janecek als Betreuungsabgeordneter in der Region zuständig ist, diskutiert. Dass diese Angelegenheit über die Parteigrenzen hinaus bewegt, zeigte die Anwesenheit von SPD-Stadtrat Hans-Michael Weisky.
„Wir sind spät gestartet und schlecht gelandet“, beschrieb Janecek den momentanen Stand des Breitbandausbaus in Deutschland. Aktuell werde der Ausbau über das sogenannte Vectoring vorangetrieben. Vectoring bezeichne die Erweiterung und Verbesserung des bereits bestehenden VDSL-Netzes. Hierzu verlegten die Netzbetreiber Glasfaserkabel bis zu den Verteilerkästen, die Kupferleitungen zu den Anschlüssen in den Wohnungen blieben allerdings unverändert. Durch Vectoring, erklärte Janecek, werden Störsignale zwischen den Kupferkabeln, die die Datenübertragung bislang behindert haben, zu einem gewissen Grad ausgeglichen und so eine höhere Datenübertragungsrate erzielt. Diese Technik sei jedoch heute schon nicht mehr zeitgemäß.
Der Ausbau sei vor allem deshalb so schwierig, weil es kein einheitliches, koordiniertes Konzept gebe, so der Abgeordnete. Das Mobilfunknetz, das ebenfalls dringend ausgebaut werden müsse, sei gar nicht erst mitgerechnet worden. Außerdem gebe es durch die Vormachtstellung der Telekom in Bayern zu wenig Wettbewerb. So könne es sich das Unternehmen leisten, beim Breitbandausbau nur sehr langsam vorzugehen. Die Stadtwerke Trostberg wollten sich am Ausbau beteiligen, stimmte Stadtrat Weisky zu, die Regularien seien jedoch auf große Anbieter ausgelegt, und so habe man keine Chance auf den Zuschlag gehabt. „Kleine Anbieter werden kaputt gemacht“, monierte der Lokalpolitiker.
„Kleine Anbieter werden kaputt gemacht“
Bei seinen Besuchen in Skandinavien bot sich Janecek hinsichtlich des Breitbandausbaus ein völlig anderes Bild. „Die Schweden sind uns fünf Jahre voraus“, sagte der Parlamentarier. Dort würde – auch im ländlichen Raum – komplett auf Glasfasertechnologie gesetzt. Durch den regen Wettbewerb der Netzanbieter gehe der Ausbau in Schweden deutlich schneller über die Bühne. Auch das skandinavische Mobilfunknetz sei dem deutschen weit überlegen, erklärte Janecek, vor zwei Jahren sei er in einem finnischen Nationalpark unterwegs gewesen und habe durchgehend 4G-Abdeckung gehabt. Deutschland laufe mittlerweile Gefahr, in Sachen Digitalisierung und moderne Infrastruktur abgehängt zu werden, warnte der Bundestagsabgeordnete: „Wäre das die Bundesliga, würden wir auf einem Abstiegsplatz stehen.“
Doch nicht nur um den Breitbandausbau ging es an diesem Abend. Die Trostberger Grünen wollten auch wissen, wie der Einzug der AfD die Arbeit im Bundestag verändert hat. Er erlebe viele gezielte Grenzüberschreitungen von Seiten der AfD, antwortete Janecek. „Sie können Social Media besser nutzen, als jede andere Partei. Die AfD begibt sich bewusst in eine Opferrolle und nutzt diese dann perfide aus.“ Janecek versuche, die AfD-Abgeordneten mit Zwischenfragen zu Wirtschaft und Sozialpolitik aus dem Konzept zu bringen. „Wir müssen von deren Diskursebene runter kommen.“
Ortssprecherin Marianne Penn stimmte dem zu und plädierte für eine differenziertere Betrachtung der Themen Asyl und Zuwanderung: „Migration kann für uns eine große Chance sein.“ Janecek kritisierte, dass Deutschland seinen Handel zu Lasten anderer EU-Staaten gestärkt hätte. Die EU als Wirtschafts- und Werteunion sei ein Ideal und eine Errungenschaft, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Dem derzeit schwierigen Verhältnis zu den USA unter Präsident Donald Trump konnte er etwas Positives abgewinnen: „Trump könnte einen europäischen Patriotismus einleiten.“ Außerdem wurde über Angelegenheiten wie Handels- und Finanzpolitik, Wohnungsnot, Rente und Hasskommentare im Internet gesprochen.
Janecek hielt am Dienstagabend außerdem noch einen Vortrag in St. Georgen: über Digitalisierung und ihren Einfluss auf die Arbeitswelt. Der Abgeordnete verabschiedete sich von seinen Trostberger Parteifreunden, nicht ohne sie auf den bevorstehenden Wahlkampf einzuschwören: „Wir Grüne sind der Anker der Stabilität in Deutschland. Wir stehen für eine liberale Mitte, und dahin wollen wir die Wähler zurück führen.“
Von: lhe (Trostberger Tagblatt, 20. Juli 2018)