Übermotorisierte Fahrzeuge sind nichts für die Stadt – Brauchen wir eine Lärmschutzzone und Einfahrverbote?

Veröffentlicht am 3. August 2017

Übermotorisierte Fahrzeuge sind nichts für die Stadt – Brauchen wir eine Lärmschutzzone und Einfahrverbote?

Derzeit reden alle von der dreckigen Luft, die uns der Straßenverkehr beschert. München ist hier bekanntlich besonders stark betroffen. Wenig geredet wird über den Verkehrslärm. Auch dieser ist gesundheitsschädlich. Lärm macht krank: Bei Menschen, die dauerhaft einem Pegel von über 65 Dezibel ausgesetzt sind, steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Herzinfarkte deutlich an. Selbst nachts kommen viele Menschen nicht zur Ruhe, rund 90.000 Menschen in München sind auch nachts von gesundheitsgefährdenden Straßenlärm betroffen.

Um etwas gegen Straßenverkehrslärm zu tun, gibt es verschiedene Hebel. Am einfachsten wäre es, bei der Lärmquelle anzusetzen, dem PKW, dem LKW oder Motorrad. Genau das hatte die EU-Kommission vor, mit der Verordnung über den Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen. Diese ist seit dem 1. Juli 2016 in Kraft  allerdings in deutlich abgeschwächter Version im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag. Die EU-Kommission hatte ihre Rechnung ohne die deutsche Bundesregierung und ohne die deutsche Autolobby gemacht. Die Regierung Merkel hat erfolgreich dafür gesorgt, für schwer motorisierte Fahrzeuge Ausnahmeregelungen zu schaffen. Für Neuwagen soll ein 68-Dezibel-Limit gelten, aber nur für PKW mit einem Leistungsgewicht von weniger als 120 kW/t gelten. Und das auch erst in einer Phase 3 ab dem 1. Juli 2026. Damit wären zwar ein Großteil der Klein- und Familienfahrzeuge deutlich leiser als bisher. Für schwer motorisierte Neuzulassungen, für Sportwagen und schwere Geländewagen und SUV gibt es aber weitgehende Ausnahmen.

Besonders stark motorisierte Neu-Fahrzeuge dürfen bis zu 75 Dezibel laut sein, ab 2026 gilt für sie der Grenzwert von 71 Dezibel. Fahrzeuge, deren Nutzung auch unter Aspekten wie Platzbedarf oder CO2-Emissionen ziemlich absurd sind, dürfen also weiter lärmen. Ausnahmen beim Lärmschutz also für Ferrari und Maserati, für üppig motorisierte 6er-BMW und den Audi Q7, für Porsche Cayenne oder auch den 911. Man könnte von einer “Lex Porsche” sprechen.

Die Bundesregierung mal wieder voll in ihrem Element, vor dem Karren der Autolobby. Und im Gegensatz zum Diesel geht es diesmal nicht um typische Mittelklasse-Pendlerautos, nicht um das Handwerkerfahrzeug, sondern um hoch motorisierte, teure Fahrzeuge, die man zumindest in der Innenstadt für einen Anachronismus halten kann. Die Interessen von Autotunern und Fans des Klappenauspuffs, die den Lärm ihrer Fahrzeuge “Sound” nennen, war der Kanzlerin, dem CSU-Verkehrsminister wichtiger als der Gesundheitsschutz. Um die sogenannte sportliche Fahrweise geht es dabei nicht einmal  selbst ein kleines E-Auto beschleunigt schneller als ein röhrender Porsche oder Ferrari. Eine weitere Parallele zum Abgasskandal: die mangelnden Kontrollen. Autobild, nicht gerade in Verdacht, besonders autofeindlich eingestellt zu sein, sprach von wirklungsosen Kontrollen (Vergleiche Autobild, 02.06.2016 )

Den Lärm an der Quelle zu bekämpfen, das fällt also schon mal aus weitgehend aus, nachdem die Bundesregierung hier blockiert hat. Was bleibt? Tempolimits wären ein Weg. Bitter notwendig wäre es zumindest, dass der Bundesgesetzgeber den Städten und Kommunen endlich die Möglichkeit geben würde, vor Ort selbst zu entscheiden, ob auf lärmgeplagten Straßen Tempo 30 eingeführt werden soll oder nicht. Die Motorengeräusche lassen sich mit Tempolimits aber nur sehr begrenzt reduzieren.

Ein anderes Instrument könnte schlicht ein Einfahrverbot für laute Fahrzeuge sein, analog zur Umweltzone. Wie wäre es, wenn wir alle getunten, übermäßig laute Fahrzeuge aus der Innenstadt verbannen könnten? Oder könnte man übers Parken ansetzen? Das Parkraummanagement ist eine Erfolgsgeschichte. Aber müssen wir Fahrzeugen, die bei jedem Anfahren ihre Nachbarn unnötig zulärmen, wirklich eine günstige Anwohnerparkberechtigung einräumen? Der Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm (und Abgasen) kann Ansatzpunkt für Parkbeschränkungen sein.

Würden die Menschen, die in der Ludwig- und Leopoldstraße im Café sitzen, die Angeber, die regelmäßig ihre Motoren aufheulen lassen, wirklich vermissen? Vermutlich nicht. Apropos Motoren aufheulen lassen: Das ist eigentlich jetzt schon untersagt. Paragraf 30 der Straßenverkehrsordnung verbietet bewusst inszenierten Verkehrslärm bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen. Auch wenn das Bußgeld mit 10 Euro hierfür fast schon lächerlich niedrig ausfällt, könnten sich Polizei und Verkehrsüberwachung des Themas durchaus etwas energischer annehmen.

Vielleicht wäre Lärmvermeidung aber auch ein Thema, bei dem die Autoindustrie zumindest ein wenig des verloren gegangen Vertrauens wiedergewinnen kann. Wie wäre es zum Beispiel, bei zukünftigen Autogenerationen die Lärmgrenzwerte überzuerfüllen? Und so belegen, dass man vielleicht langsam versteht, dass man sich von so manchem Anachronismus des Automobilzeitalter verabschieden muss. Mit einem Elektro-Fahrzeug dürfte das sowieso sehr leicht fallen.

Quellen: