Am 4. Oktober 2023 war ich bei einer touristischen Runde in München-Pasing zu Gast, die von Hauser Exkursionen mit dem ForumAndersReisen organisiert wurde.
Thema: Nachhaltiges Reisen
Wir stecken mitten im Klimawandel und es droht nach mehreren Jahren Pandemie wieder „business as usual“ in der Reisebranche. Was verändert sich wirklich? Der behavior gap zwischen „würde gerne nachhaltiger Reisen“ (68 %) und dem tatsächlichen nachhaltigen Reiseverhalten (5-15 %) schließt sich kaum (siehe neueste FUR Analysen) – hier müssen Branche und Politik mehr Verantwortung übernehmen – wie kann das Hand in Hand gehen?
Bericht über die Diskussion
Zur ersten touristischen Runde in Präsenz nach der COVID Pandemie konnten wir als Gast Herrn Dieter Janecek, MdB und Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Tourismus gewinnen. Bei der Diskussion Anfang Oktober in Pasing ging es um die Lage der kleinen und mittelständischen Reiseveranstalter in Zeiten der Inflation, des Fachkräftemangels und um die sozialen und ökologischen Herausforderungen, die uns im Zuge des Klimawandels in den kommenden Jahren erwarten. Herr Janecek sieht beim Thema Nachhaltiges Reisen vor allem die Reisebranche und die Politik in der Verantwortung: „Das Angebot muss stimmen.“ Man könne nicht darauf warten, dass allein die Kund*innen sich anpassen. „Politik und Wirtschaft müssen einen aktiven Part auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Reisebranche spielen.“
Global erkennt der Politiker zwei entgegengesetzte Effekte: Einerseits führe der Preisanstieg bei Pauschalreisen dazu, dass es sich viele Menschen in Deutschland, insbesondere einkommensschwache Haushalte, nicht mehr leisten könnten, wie gewohnt zu reisen. Andererseits führe der weltweite Anstieg an Touristen und der Zuwachs der Mittelschicht wie in China oder Indien dazu, dass sich immer mehr Angebote an wohlhabende Reisende richten und die soziale Bedeutung des Reisens vernachlässigt werde. Allgemein anerkannte Standards könnten Verbraucher*innen Orientierung geben, müssten allerdings auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt sein. Wassermangel, Ressourcenverbrauch, Energieeffizienz: Dieter Janecek würde sich persönlich auch dafür im globalen Wettbewerb Standards wünschen, jedoch gebe es hier speziell auf internationaler Ebene noch viel zu vereinheitlichen und Missverständnisse aus dem Weg zu schaffen. Die globale UNWTO-Initiative „Measuring Sustainable Tourism“ scheint aber auf gutem Weg, nach langjähriger Arbeit bald Ergebnisse vorzulegen.
Vor allem das Fliegen und die Kreuzfahrten blieben mit Blick auf das Erreichen der Klimaziele eine enorme Herausforderung. Auch wenn in Deutschland und Europa bei vielen Veranstaltern und Reisenden ein Umdenken stattfinde, habe Deutschland allein nur einen begrenzten Einfluss auf den internationalen Flug- oder Schiffsverkehr. Ein Teil der Antwort muss deshalb sicher auch aus der Forschung & Entwicklung kommen. Deshalb investiere der Bund mehr Geld für die Erforschung nachhaltiger Antriebs- und Speichertechnologien für die Flug- und Schifffahrt. Im Bundeshaushalt seien zum Beispiel 20 Millionen Euro für ein Forschungsvorhaben für klimaneutrale Kreuzfahrten vorgesehen, die in Skandinavien im kleinen Maßstab bereits Realität sind.
Es gelte Rahmenbedingungen zu schaffen, die umweltfreundliche Wege des Reisens und nachhaltigen Urlaub langfristig einfacher und attraktiver machen. Für die Politik heißt das, die Grundvoraussetzungen für nachhaltiges Reisen in Deutschland und Europa zu schaffen. Da käme dann vor allem die Bahn ins Spiel, so Janecek: “Wir müssen dringend die Modernisierung der deutschen und europäischen Schieneninfrastruktur vorantreiben und mehr Geld in den ÖPNV investieren, vor allem auch in ländlichen Tourismusregionen wie zum Beispiel den Alpen, Nord- und Ostsee”. Das 49-Euro-Ticket würde er gern weiter anbieten. Die Kooperation der Europäischen Bahnbetreiber z.B. eine gemeinschaftliche Ticket-Bepreisung und der Ausbau der Nachtzugverbindungen könnten Bahnreisen durch Europa ebenfalls konkurrenzfähiger gegenüber Flugreisen machen. Es scheint allerdings noch ein weiter Weg, bis nachhaltiges Reisen selbstverständlich ist. Möglich sei das erst, „wenn nachhaltige Angebote preislich so günstig und so komfortabel sind wie die nicht-nachhaltigen Alternativen“, ist Dieter Janecek überzeugt.
