Rund 800.000 Flüchtlinge werden im Jahr 2015 in Deutschland ankommen. Das ist nur ein Bruchteil der rund 60 Millionen Menschen, die derzeit weltweit auf der Flucht sind. Davon alleine rund 11 Millionen Menschen aus Syrien, die zu allergrößten Teilen innerhalb des Landes selbst und in die direkten Nachbarländern fliehen mussten. Der kleine Nachbar Libanon alleine hat mehr als 1 Million Syrienflüchtlinge aufgenommen, dort stellen sie derzeit ein Viertel der Bevölkerung.
Die Hauptlast der globalen Flüchtlingskrise tragen also andere, nur vergleichsweise wenige Menschen gelangen nach Europa, nach Deutschland. Dennoch, die Aufnahme von 800.000 Menschen stellt Städte und Gemeinden in Deutschland natürlich vor Herausforderungen, denn sie sind es, die die Unterbringung organisieren müssen. Und vielerorts ist Wohnraum knapp – nicht nur in boomenden Metropolen wie Hamburg, Berlin oder München, sondern auch in vielen kleinere Städten und Gemeinden. Wenig überraschend, dass hier manche Makler, Immobilienbesitzer, Hoteliers oder Betreiber privater Unterkünfte ein Geschäft wittern (vgl. z.B. SZ, Unterbringung von Asylbewerbern – „Goldgräberstimmung“ in der Provinz, Mai 2015)
Vielfältige Unterbringungsformen – unterschiedliche Kosten
Die Unterbringung von Flüchtlingen ist nicht einheitlich geregelt und unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Flüchtlinge werden in Sammelunterkünften wie ehemalige Kasernen, in umgebauten Gewerbebauten, in Container-Unterkünften oder in Behelfsunterkünften wie Traglufthallen und Sporthallen untergebracht. Manche Unterkünfte werden von Wohlfahrtsverbänden, andere von einem privaten Anbieter betrieben, andernorts kümmert sich die Kommune selbst. Auch in vielen (ehemaligen) Pensionen und Landgasthäusern kommen Flüchtlinge unter. In einigen Bundesländern, darunter leider auch Bayern, dominiert die zentrale Unterbringung in Sammelunterkünften, in anderen die dezentrale Unterbringung, in Wohnung oder anderen kleineren Einheiten (Vgl. Pro Asyl zum Ländervergleich bei der Unterbringung)
Seit Jahren plädieren insbesondere Flüchtlingsverbände für dezentrale Unterbringung, das ist nicht nur besser für die Menschen, sondern meist auch günstiger. So stellte der Bayerische Flüchtlingsrat 2009 fest, dass Bayern durch die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen statt in Gemeinschaftsunterkünfte rund 13,6 Millionen Euro einsparen könnte.
Viele Kommunen stehen derzeit vor der Situation, dass sie mehr oder weniger alles nehmen müssen, was sie bekommen können. Und dabei öfters überteuerte Preise zahlen oder Verträge mit nachteiligen Bedingungen eingehen. Die Zeit drängt, die Verhandlungen müssen schnell geführt werden, Aufträge werden auch aus Zeitnot unter der Hand vergeben, Verträge oft geheim gehalten – wohl teils aus Angst die Preise zu verderben, teils aus Sorge, dass auffliegt, wie schlecht sie verhandelt haben, berichtet die FAZ unter Berufung auf Pro Asyl (FAZ, Verdienen an Flüchtlingen, April 2015). Dabei verstehe sich nicht jede Kommune gleich gut aufs Verhandeln. So kommt es, dass in Thüringen ein Flüchtling eine Gemeinde durchschnittlich 5.799 Euro im Jahr kostet, aber eine andere mit 10.311 Euro fast das Doppelte.
Viele wollen eben an der Unterbringung von Flüchtlingen mitverdienen. So berichtete der NDR vom Fall eines Immobilienmaklers, der dem Sozialamt der Stadt Elmshorn eine Drei-Zimmer-Wohnung für monatlich 2.100 Euro Miete für die Unterbringungen von Flüchtlingen anbot – die ortsübliche Vergleichsmiete liegt bei etwa 600 Euro pro Monat (NDR: Das teure Geschäft mit Flüchtlingsunterkünften, August 2015).
Oftmals scheint auch mehr oder weniger offener Rassismus Grund für überhöhte Preise zu sein. So hat die Stadt Magdeburg von einem Berliner Immobilienunternehmer fünf Gebäude für Flüchtlinge angemietet – und zahlt fast doppelt so viel für die Wohnungen wie marktüblich. Die Rechtfertigung des Unternehmers: Flüchtlinge wirtschaften die Wohnungen schneller herunter. An Studenten werden die gleichen Wohnungen für die Hälfte vermietet (Deutschlandfunk, April 2015)
Hohe Preise kann es bei allen Formen von Unterbringung, bei denen Private beteiligt sind, geben: sowohl bei der Unterbringung in Wohnungen, in Pensionen, in Gewerbekomplexen und auch in Notfallquartieren wie Traglufthallen. Und dass private Anbieter auch Geld verdienen wollen und müssen, ist auch nachvollziehbar. Die Frage ist aber, was können wir politisch tun, um die Kommunen hier besser zu unterstützen und um Wucherpreise zu verhindern?
Mögliche Lösungswege: von Transparenzpflicht bis zur Mietpreisbremse?
Wo immer möglich, sollte die Unterbringung dezentral erfolgen. Die Unterbringung in Privatwohnungen ist keine Garantie dafür, dass die Kosten niedriger ausfallen, wie die geschilderte Fälle belegen, ist aber aus der langfristigen Erfahrung heraus im Vergleich zu Sammelunterkünften günstiger – und besser für geeignet, Flüchtlingen einen Start in Deutschland zu ermöglichen. Allerdings ist dieser Weg insbesondere dort, wo Wohnraum sehr knapp ist – z.B. in meinem Münchner Wahlkreis – nicht einfach.
Wo immer möglich sollten Kommunen selbst oder in Zusammenarbeit mit etablierten Wohlfahrtverbänden die Unterbringung übernehmen, wie es z.B. Freyung getan hat (SZ, Mai 2015). Die Kreisstadt im Bayerischen Wald hat eine alte Kurklinik gekauft und betreibt diese nun selbst als Unterkunft für die Erstaufnahme. Die Kosten für die Unterbringung trägt die Regierung von Niederbayern. Im Gegensatz zu manchem Privaten strebt die Kommune dabei nicht nach Gewinn, sondern achtet darauf, dass die Flüchtlinge ordentlich untergebracht sind, und kümmert sich mit eigenem Personal.
Solche Beispiele werden allerdings nur Schule machen, wenn die Kommunen dazu auch finanziell in der Lage sind. Hier sind Bund und Länder gefragt. Meine Bundestagskollegin Kerstin Andreae forderte jüngst, der Bund möge seinen Haushaltsüberschuss für Flüchtlinge investieren. Kommunen dabei zu befähigen, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, wäre hier sicher ein guter Ansatz. Das hilft den Flüchtlingen, den Kommunen und ist – wenn gut organisiert – insgesamt günstiger.
Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen wird es aber sicher nicht ohne Private gehen. Und es spricht auch nichts dagegen, wenn Private Gewinn erzielen – es muss halt im Rahmen bleiben. Deshalb ist hier Transparenz oberstes Gebot. Grundsätzlich wäre es sinnvoll, Verträge, die Kommunen oder Landkreise mit privaten Dienstleistern schließen, offenzulegen. Transparenz kann hier insbesondere anderen Kommunen helfen und als Referenz dienen. Und Bund und Länder müssen sich überlegen, was sie tun können, um Kommunen bei Vertragsverhandlungen mit privaten Anbietern zu stärken.
Erst in diesem Jahr wurde die – ursprünglich als grüne Idee aus NRW entstanden – Mietpreisbremse Gesetz, von der Bundesregierung mangelhaft umgesetzt, die Idee bleibt richtig. Um Wucher bei der Vermietung für Flüchtlinge zu begrenzen, sollten wir prüfen, ob eine Mietpreisbremse – wie auch immer dann genannt – auch hier genutzt werden kann. Über Kopfpauschalen von Sozialämtern das Mehrfache des eigentlichen Miet- und Marktpreises einer Wohnung zu kassieren, sollte unterbunden werden.
Eines ist dabei klar: es geht nicht ohne Solidarität. Die Solidarität der Menschen in Deutschland mit den Flüchtlingen ist groß, wie sich die letzten Tage erst wieder am Münchner Hauptbahnhof zeigte, als Dutzende Freiwilliger zu den Zügen mit Flüchtlingen aus Ungarn eilten, um Wasser, Lebensmittel und Spielzeug für die Kinder zu verteilen.
Diese Woche hat sich immerhin auch mal die Bundeskanzlerin umfassend zur Flüchtlingsfrage geäußert. Wie wäre es mit einer großen Solidaritätskampagne unter der Federführung der Bundesregierung (zugespitzt: mit Merkel, Gottschalk, Til Schweiger und DFB)? Eine Kampagne, die dafür wirbt, Flüchtlingen privaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen: von der Aufnahme in der Studi-WG, der Einliegerwohnung im Einfamilienhaus bis zur Vermietung privaten Wohnraums? Natürlich nicht umsonst, aber zu vernünftigen Preisen.
Und langfristig wird es nicht gehen ohne mehr Wohnbauförderung. Die braucht es in unseren boomenden Metropolen, ob Frankfurt, Düsseldorf oder München sowieso, die aktuellen Zahlen machen den Bedarf langfristig nur noch dringender. Auch hier ein Handlungsfeld, in dem die Bundesregierung endlich liefern muss.
Und schließlich müssen wir die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben noch stärker einbinden und die Personalkapazitäten überprüfen. Die BImA ist schon sehr aktiv, Bundesliegenschaften zur Flüchtlingsunterbringung zu mobilisieren.
Chancen bieten – Chancen nutzen
Die allermeisten Flüchtlinge, die nach Deutschland, nach Europa kommen, haben Schreckliches durchgemacht, sie brauchen unsere Hilfe, unseren Schutz, unsere Unterstützung. Die Städte und Gemeinden stehen dabei vor großen Herausforderungen, keine Frage. Ich bin aber überzeugt, dass wir gemeinsam und in Solidarität – Solidarität des Bundes und der Länder mit den Kommunen, mit der großen Solidarität der Bevölkerung – diese Herausforderung stemmen können. Dass wir es schaffen, den Flüchtlingen, von denen viele dauerhaft bleiben werden, eine Chance für einen guten Neustart in Deutschland zu bieten. Und wir sollten die Menschen, die zu uns kommen, trotz der konkreten Herausforderungen, nicht als „Problemfall“ sehen, sondern als Bereicherung, als Chance für unsere Gesellschaft, als Chance auch für unsere Wirtschaft, die auch dringend auf Arbeitskräfte angewiesen ist.