Meinungsbeitrag: Mit Realismus und Innovation durch die Krise

Veröffentlicht am 6. Mai 2020

Die einen reden im Zuge der heutigen Anpassungen bei den Beschränkungen und Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Coronapandemie von gefährlichen Dominoeffekten, die anderen unken, es hätte längst schon mehr Lockerungen geben müssen. Beides halte ich für falsch: wir brauchen eine stetige verantwortungsbewusste Abwägung zwischen sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen und der Entwicklung des Infektionsgeschehens.

Also: Jetzt keine Panikmache, sondern die Chance ergreifen um konstruktiv unseren neuen Alltag zu gestalten!

Auch vom Förderalismus Bashing in dem Zusammenhang halte ich nichts: wir müssen schauen, wo lokal besonderer Handlungsbedarf ist. Es gibt Kommunen ohne Neuinfektionen und Hotspots wie in Südostoberbayern, wo weiter Vorsicht angebracht ist.

Wenn ich jetzt aber einen Landkreis habe, in dem es keinerlei Infektionsgeschehen mehr gibt muss man schon genau begründen, wieso man dann den Kindern ihre Freunde oder die Oma vorenthält.

Deutschlands Wirtschaft ist innovativ und anpassungsfähig

Auch im Hinblick auf die Wirtschaft haben wir jetzt die Chance mit Ideen und Gestaltungswillen aus dem Stillstand zu kommen.

Alle Unternehmen mit denen ich im Gespräch bin, arbeiten bereits an Plänen oder sind dabei diese umzusetzen, wie beispielsweise die Büros in Teilauslastung wieder besetzt werden können und alle Hygieneregeln eingehalten werden können. Auch Restaurants und Tourismusgewerbe haben sich längst auf die Anforderungen im Rahmen der Coronapandemie eingestellt.

Wir sehen, dass die Wirtschaft in Deutschland innovativ und anpassungsfähig ist. In einem wahnsinnigen Tempo haben viele Unternehmen ganz neue Modelle aus dem Boden gestampft, sind digitaler geworden. Man kann das auch als Chance sehen.

#coronaeltern brauchen jetzt Entlastung

Homeoffice bleibt aber sicher das Gebot der Stunde, bzw. vielleicht auch wenn die Pandemie langfristig überstanden ist für viele eine attraktive Alternative. Ich finde den Vorschlag nicht schlecht, die Arbeit zuhause steuerlich zu unterstützen, allein schon im Hinblick auf die Stromkosten.

Wir haben schon im vergangenen Jahr ein Recht auf Homeoffice vorgeschlagen, jetzt sehen wir: es geht! Gleichzeitig sehen wir auch, wir müssen dafür sorgen, dass die Arbeit nicht total entgrenzt und am Ende nur Überbelastung raus kommt.

Das sage ich besonders mit Blick auf die berufstätigen Eltern in unserem Land, die in den letzten Wochen Unglaubliches geleistet haben. Es wäre in meinen Augen überfällig gewesen, dass die Bundesregierung deren Belastungssituation endlich ernst nimmt und nicht erwartet, dass Familien Hausarbeit, Kinderbetreuung, Homeschooling und Berufstätigkeit stemmen, als wäre es gar kein Problem. Viele Eltern sind am Ende ihrer Kräfte, sie brauchen konkrete Lösungen von Perspektiven bei der Betreuung, privaten Familientandems bis hin zu finanziellen Stützen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.

Eine Rezession historischen Ausmaßes

So gut, innovativ und flexibel unsere Unternehmen die Lage auch meistern: wir sind auf dem Weg zu einer Rezession historischen Ausmaßes.

Was manche in der Debatte noch nicht begriffen haben. Die Rezession, in die wir derzeit schlittern, ist ganz wesentlich NICHT die Folge der Maßnahmen von Bund und Länder. Auch Schweden – über den angeblichen Sonderweg des Landes wird ja sehr viel berichtet – befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Auch dort leidet die Gastronomie massiv, die Umsätze in Restaurants sind dort seit Mitte März um gut zwei Drittel eingebrochen, das Verbrauchervertrauen ist im April so stark eingebrochen wie zuletzt in der Weltfinanzkrise, das Vertrauen der Konsumenten in die wirtschaftliche Lage ist niedriger als in Deutschland.

Natürlich müssen wir sehr klug überlegen, welche Maßnahmen wir zurücknehmen können, dem Handel, der Gastronomie, den Hoteliers wieder mehr Luft zu verschaffen. Wir sollten uns aber nicht der Illusion hingeben, dass die Probleme, die die Automobilindustrie, der Maschinenbau, die chemische Industrie – also die drei mit Abstand wichtigsten Branchen in Deutschland – derzeit haben, durch die jetzt diskutierten Lockerungen gelöst werden können.Deutschland ist Exportweltmeister – und wir erleben einen globalen Nachfrageschock. Unsere wichtigsten Handelspartner sind zu großen Teilen deutlich massiver von der Pandemie betroffen – USA, Großbritannien, Frankreich, Italien.

Ja, wir müssen uns darum kümmern, dass der Handel, die Gastronomie und das Tourismusgewerbe diese Krise übersteht und wir Bedingungen schaffen, dass diese sinnvoll arbeiten und wirtschaften können. Zur Belebung der Deutschen Industrie wird die aktuelle Lockerungsdiskussion aber kaum beitragen.

Der Weg aus der Krise ist grün.

Wir können unsere Schlüsselindustrien vor diesem Hintergrund nicht aufs Spiel setzen. Es ist aber auch klar: der Weg aus der Krise ist grün. Sei es im Hinblick auf Konjunkturanreize oder aber auch staatliche Beteiligungen: sie müssen an ökologische und soziale Kriterien für die jeweiligen Branchen gebunden sein. Wenn der Staat sich mit Steuergeldern an Unternehmen beteiligt, muss er auch Mitspracherechte haben und Einfluss auf die Unternehmensstrategie nehmen können, wie private Investoren auch.

Gerade im Hinblick auf die Luftfahrt hat es Frankreich doch vorgemacht:spätestens jetzt mit nach der Coronapandemie können Unternehmen nur langfristig erfolgreich sein, wenn sie sich im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem 1,5-Grad-Ziel aufstellen. Das betrifft die Fragen von weniger Kurzstreckenflügen, mehr Kooperationen mit der Bahn und alternative, klimafreundliche Treibstoffe.

Die nächsten Wochen und Monate werden viel Kraft abverlangen. Für viele Menschen wird es weiterhin knallhart um die Existenz gehen. Gerade auch im Kulturbereich wird es weiter nötig sein, alternative Veranstaltungsformen anzubieten. Dass die Menschen in Deutschland aber durch ihr bisher konsequentes Verhalten dazu beigetragen haben, dass wir mit den Infektionszahlen relativ gut dastehen, das macht Mut. Was wir in den letzten Wochen erlebt haben ist gelebte Solidarität. Wir haben jetzt die Möglichkeit, mit Mut und Gestaltungswillen den Weg aus der Krise zu ebnen.

Schluss mit abstrusen Verschwörungstheorien

Was aber jetzt wirklich Gift für die Wirtschaft, für die Gesellschaft ist: das sind diese teilweise unsäglichen Verschwörungstheorien, die zu Corona derzeit durchs Netz geistern. Wir brauchen politischen Streit darüber, wie wir diese Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen am besten bewältigen können. Über die beste Strategie, den besten Fahrplan, um die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft zu minimieren.

Was wir nicht brauchen, sind durchgeknallte Köche und Sänger, die irgendwas von Diktatur daher faseln, von irgendwelchen sinistren Plänen von Bill Gates, von bewaffnetem Widerstand und so weiter. Das ist nicht nur alles Gift für eine aufgeklärte Gesellschaft und eine Gefahr für die Sicherheit im Land – siehe den feigen Angriff auf ein Kamerateam letzte Woche. Solche Fake News-Kampagnen, das Verbreiten von Lügen und Unwahrheiten, das Schüren von Panik – das ist auch alles Gift für die Wirtschaft.