Licht und Schatten: Wie nachhaltig ist 3D-Druck?

Veröffentlicht am 1. August 2019

Was haben Häuserfronten, menschliche Haare und Prothesen für verletzte Schildkröten gemeinsam? Sie alle können mittlerweile per additiver Fertigung, bzw. 3D-Druck erstellt werden. Diese Technologie bedeutet ein gewaltigen Umbruch mit großen Chancen – neue Geschäftschancen für innovative Unternehmen und Chancen für nachhaltigere Produktion. Dabei geht es nicht mehr allein um die Maker Community, 3D-Druck ist inzwischen vor allem für Wirtschaft und Industrie ein Thema.

Wie grün ist Additive Manufacturing?

Fast zu schön um wahr zu sein: die neuen 3D-Drucker können im Grunde alles fertigen. Von Konzeptmodellen über kleine Serienproduktionen bis hin zu Instandhaltung und Reparatur von verschlissenen Produkten: additive Fertigung definiert Produktion neu.

Bei der Produktentwicklung gibt es einen Trend von der reinen Kostenorientierung hin zu Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit. Nachhaltig gilt dabei zugleich als kosteneffizient, jeder Einsatz von Material und Energie kostet schließlich. Auch deshalb ist die additive Fertigung momentan in aller Munde. 3D-Druck eröffnet die Möglichkeit zur Effizienz im gesamten Produktlebenszyklus bis hin zur Reparatur.

Wie so oft bei neuen Technologien ist jedoch nicht alles Gold was glänzt. Nicht immer macht 3D-Druck Sinn und nicht immer ist er nachhaltiger oder ökologischer als herkömmliche Fertigungsverfahren, wie etwa die spanende Bearbeitung. Derzeit sind die Nachhaltigkeitseffekte additiver Fertigungsprozesse weitgehend unerforscht (vgl. Lachmayer R., Lippert R.B., Fahlbusch, T. (Hrsg.) 2016: 3D-Druck beleuchtet; Springer Vieweg; Berlin).

Ein Vorteil von 3D-Druck ist etwa, dass Bauteile auf Nachfrage, statt auf Vorrat erstellt werden können. Die Folge sind geringere Lagerkosten oder die Vermeidung von Überproduktionen. Zu den ökologischen Effekten zählt auch die Möglichkeit der Reparatur von Verschleißteilen und der Umstand, dass beim 3D-Druck keine umweltbelastenden Kühl- oder Schmiermittel benötigt werden, bzw. kein Werkzeugverschleiß auftritt, weil bei der Fertigung keine Werkzeuge im konventionellen Sinn angewandt werden. Nachhaltig sind aber auch die erhöhte Effizienz in der Prozesskette, Einsparung von Material und Energie bei der Fertigung und das geringere Gewicht des Bauteils.

Beispielsweise kann bei einem Auto 5 – 10 Prozent des Gewichts durch additive Fertigungsverfahren eingespart werden. Dadurch braucht es entsprechend weniger Kraftstoff. Bei Flugzeugen haben Gewichtseinsparungen einen noch größeren Einfluss. Das Gewicht von Flugzeugen kann um bis zu 7 Prozent und der Kraftstoffverbrauch um bis zu 6 Prozent reduziert werden.

Nachhaltigkeit stark vom Material und Produktlebenszyklus abhängig

Bei einer Beispielrechnung mit einem Aluminiumbauteil (siehe ebd.) zeigte sich, dass das Rohmaterial beim additiven Verfahren geringer eingesetzt werden muss und damit am Ende auch weniger zu recycelndes Material entfällt. Das Rohmaterial wird also viel effizienter genutzt. Dadurch entfällt von Anfang an auch weniger an CO2 Emission. Aber es gibt auch wesentliche Nachteile: die Produktion dauert etwa länger und die eingesetzte Lasersinteranlage ist wahnsinnig energieintensiv. Außerdem sind die pulverisierten Rohmaterialien zum Teil sehr empfindlich und schwer zu transportieren. Pulverisiertes Aluminium etwa ist sehr leicht entzündlich.

Laut TAB Bericht (Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, Quelle: https://www.tab-beim-bundestag.de/de/pdf/publikationen/berichte/TAB-Arbeitsbericht-ab175.pdf) zum Thema “Additive Fertigungsverfahren” gibt es noch weitere, potenziell schwierige Nachhaltigkeitaspekte. Zum Beispiel könnten Teile, die bislang aus Holz gefertigt wurden, nun aus Kunststoff hergestellt werden – eine negative Ökobilanz inklusive. Auch das Recycling der additiv gefertigten Teile, die ja quasi “aus einem Guss” bestehen, kann zum Teil komplizierter sein.

Ob 3D-Druck wirklich nachhaltiger ist, ist stark vom Material, vom Verfahren und den Technologien, den unterstellten Warenströmen und den konkret betrachtetenProdukten und ihren Anwendungskontexten abhängig (vgl. TAB Bericht “Additive fertigungsverfahren”). Stahl beispielsweise lässt sich mit viel weniger CO2 herstellen als Aluminium, so dass der Vorteil von weniger Materialaufwand dann nicht mehr ausreichen würde um den energieintensiven Einsatz von additiver Fertigung zu begründen.

Aber es ist nur eine Frage der Zeit: Werden 3D-Druck Maschinen zukünftig effizienter (Prognose ist, dass 3D-Drucker schon 2020 doppelt so schnell sein sollen, wie 2015), beispielsweise durch bessere Isolierung oder verkürzte Fertigungszeiten, kann sich das ändern. Außerdem gilt es, den gesamten Produktlebenszyklus mit in die Überlegungen einzubinden. Führt man sich noch einmal das Beispiel des leichteren Fahrzeug vor Augen, kann es zwar sein, dass die Produktion sehr energieintensiv ist – dafür aber verbraucht das Auto in der Nutzung über viele Jahre hinweg weniger Sprit.

 

Im 3D-Druck liegt großes Potenzial für den Maschinenbaustandort Deutschland

Wie so oft zeigt sich auch am Beispiel der additiven Fertigung einmal mehr: bei neuen Technologien müssen wir genau hinschauen, denn es gibt hier keine einfachen Antworten. Angesichts der spannenden Perspektiven für nachhaltigere Fertigungsverfahren ist es in meinen Augen deshalb wichtig, Forschung zu betreiben um genauer berechnen zu können, in welchen Fällen 3D-Druck wirklich sinnvoll ist und zum anderen an schnelleren und weniger energieintensiven Technologien zu forschen.

Klar ist: in der additiven Fertigung liegt unglaubliches Potenzial für den Maschinenbaustandort Deutschland. Es liegt jetzt an uns, dieses Potenzial auszuschöpfen. Fakt ist, dass Deutschland nach dem Marktführer USA derzeit an zweiter Stelle liegt. Wir stehen gut da. Aber disruptive Technologien sind im steten Wandel und andere Länder wie China und Korea preschen nach vorne. Um unseren Vorteil als Early Adaptor behalten zu können, müssen wir über die dringend nötige Forschung hinausgehen und strategisch den Markt stärken, bzw. den Wandel von der Nutzung als Prototypen Technologie hin zur (Klein-) Serien-Fertigung unterstützen.

Die Bundesregierung macht da bereits einiges (siehe Antworten auf meine Schriftliche Fragen: 2019-06-19_3D Druck 1 & 2019-06-19_3D Druck 2). Darüber hinaus gehend lohnt es sich konkrete Vorhaben und Lösungen von Start-Ups und KMU näher zu betrachten und ggf. auch zu fördern. Davon abgesehen ist nach einer Studie die Hauptbarriere für eine breitere Anwendung und Weiterentwicklung von additiver Fertigung der Mangel an Fachwissen – hier müssen wir von politischer Seite stärker als bislang ansetzen.