Auch knapp ein Jahr nach Veröffentlichung der umweltpolitischen Digitalagenda der Bundesregierung ist bisher nicht mehr als nur ein erster Ansatz zu verzeichnen um Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen zu denken. Die Digitalagenda enthält keinerlei Maßnahmen um das eigene Ziel, klimaneutrale Rechenzentren bis 2030, konsequent zu erreichen. Eine nachhaltige Digitalisierung bleibt weiterhin blinder Fleck der Regierung.
„Da reicht es nicht beim Digitalgipfel groß Reden zu schwingen. Es müssen konsequent Taten folgen.“
Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der EU-Kommission, europäische Rechenzentren bis 2030 klimaneutral zu machen. Die ausführliche Antwort des Umweltministeriums (BMU) – so würde man sich das auch aus den anderen Häusern wünschen – auf eine schriftliche Frage, wie genau das passieren soll, hat ergeben, dass man hierbei vor allem auf vage Anreize setzt. Die spezifischen Maßnahmen dafür sind in der umweltpolitischen Digitalagenda des BMUfestgehalten.
Die bisher auf den Weg gebrachten Vorhaben umfassen bis auf Umweltsiegel und ein Indikatoren-System aber keinerlei Ansätze, die wirksam zur Reduktion des Strombedarfs von den vielen Rechenzentren von Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen beitragen (bereits 2013 gab es in Deutschland nach Berechnungen von Borderstep ca. 51.100 Rechenzentren). Ausserdem werden auch keinerlei ökologische Rahmensetzungen für den im Wachstum befindlichen Zukunftsmarkt erwogen. Dabei zeigen doch die ganzen Diskussionen zur Energiewende und Kohleausstieg wie schwierig der ökologische Wandel eines bereits festgefahrenen Systems ist, wenn es nicht gleich auf die richtigen Gleise gesetzt wird.
„Nachhaltigkeit und Digitalisierung müssen konsequent zusammen gedacht werden. Das Umweltministerium verfolgt erste Ansätze. Die sind bei weitem nicht genug um das gesteckte Ziel zu erreichen.“
Das BMU hat mit dem Blauen Engel für Rechenzentren (DE-ZU-161 und DE-ZU-214) sowie einem Indikatoren-System (KPI4DCE), erarbeitet vom Umweltbundesamt (UBA), eine gute und notwendige Wissensgrundlagen für die Ermittlung der Energie- und Ressourceneffizienz von Rechenzentren geschaffen. Damit liegen zumindest Informationen und Kriterien vor, an denen sich Betreiber von Rechenzentren orientieren können, um diese klimaneutral, energieeffizient und ressourcenschonend zu betreiben. Ausserdem soll bei der öffentlichen Beschaffung von Rechenleistungen bei externen Anbietern nur auf mit dem Blauen Engel ausgezeichnete Rechenzentren zurückgegriffen werden dürfen. Hier müssen bestehende Lieferverträge entsprechend nachgebessert werden!
Darüber hinaus ist bisher aber nicht viel passiert und wird auch nicht in Erwägung gezogen (lediglich ein Energielabel zur Vergleichbarkeit der Energieeffizienz von Rechenzentren soll erarbeitet und ein Register für Rechenzentren aufgebaut werden). Eine Förderung im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) soll lediglich Kommunen bei Investitionen und Optimierungsdienstleistungen für mehr Energie- und Ressourceneffizienz von Rechenzentren helfen. Die erwogenen Maßnahmen der Digitalagenda zielen also nur darauf einen Überblick der Lage zu bekommen und machen nach den Rechenzentren für Kommunen Schluss. Dabei werden aber die vielen Rechenzentren von Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen vergessen. Auch diese brauchen Unterstützung bei der Dekarbonisierung ihrer digitalen Hardware.
„Als Teil der digitalen Infrastruktur sind Rechenzentren zentral für die digitale und klimaneutrale Wirtschaft. In Deutschland werden sie mit hohen Investitionen ausgebaut. Diese müssen sich von Anfang an klaren Klimazielen orientieren, dass in Rechenzentren zum Beispiel nur energieeffiziente Wasserkühlungssysteme verbaut oder die Abwärme genutzt werden.“
Rechenzentren haben eine zentrale Bedeutung für eine zukunftsfähige digitale aber auch klimaneutrale Wirtschaft sowie für die digitale Souveränität Europas. Es hängen in Deutschland mehr als 200.000 Arbeitsplätze an der Planung und dem Betrieb von Rechenzentren. Aber als Teil der digitalen Infrastruktur in denen Daten verschiedenster Akteure übertragen, gespeichert, verwaltet und verarbeitet werden leisten Rechenzentren so viel mehr. Sie stellen ein zentrales Element der digitalen Wertschöpfungskette dar. Mit zunehmender Digitalisierung steigt auch der Transfer von Daten und damit der Bedarf nach Rechenzentren worüber die Daten verarbeitet werden. Es handelt sich also um einen Wachstumsmarkt mit steigender Nachfrage. Laut einer Studie im Auftrag des Verband der Internetwirtschaft profitiert dabei gerade der deutsche Standort von hohen Datenschutzstandards und Datensicherheit.
Rechenzentren in Deutschland werden mit hohen Investitionen ausgebaut (Rechenzentren-Infrastrukturinvestitionen (ohne IT) betrugen in Deutschland 2014 ca. 750 Mio. € und 2017 ca. 1 Mrd. €). Um zu verhindern, dass dieses Wachstum mit seinem enormen Energie- und Ressourcenverbrauch zum Brandbeschleuniger der Klimakrise wird, braucht es klare ökologische Leitplanken. Denn trotz verbesserter Energieeffizienz steigt der Energiebedarf der deutschen Rechenzentren.
Der Ausbau einer komplett neuen und zugleich enorm wichtigen Infrastruktur für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft erfordert, es von Anfang an auf die ökologisch richtigen Gleise zu setzen. Ein umsatteln verursacht nur noch mehr Kosten. Die ganzen Diskussionen zur Energiewende, Kohleausstieg und Strukturwandel zeigt wie schwierig (und teuer) die Transformation bereits bestehender Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten ist (Lock-in-Effekt). Jedoch zeigt der ineffiziente Zustand vieler Bestandsrechenzentren, dass Investitionen vor allem in den Aus- und Neubau fließen und nicht in die Optimierung des Bestands. Um Rechenzentren klimaneutral zu bekommen, sollten daher auch gezielt Modernisierungsvorhaben zur Erhöhung der Energieeffizienz und zur Senkung von Treibhausgasemissionen, bspw. durch Umstellung auf energieeffiziente Wasserkühlungssysteme, gefördert werden. Auch klare ökologische Rahmensetzungen für bspw. eine verpflichtende Abwärme-Nutzung beim Neubau von Rechenzentren (wie in einem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefordert, Drucksache 19/15804) müssen erwogen werden.