Für Wirtschaftshilfen, die endlich helfen!

Veröffentlicht am 12. Februar 2021

AUTORINNENPAPIER

Nach einem Jahr Corona-Krise und Monaten im Lockdown herrschen bei vielen betroffenen Unternehmen große Verzweiflung und massive Existenzängste. Mittlerweile sind bei Vielen alle Reserven und teilweise selbst die Altersvorsorge aufgebraucht. Denn obwohl im Bundeshaushalt hohe Summen zur Unternehmensrettung bereitgestellt wurden, hat das vorhandene Geld viele Unternehmen nicht erreicht.

Besonders dramatisch ist die Situation aktuell für Unternehmen des Einzelhandels, Friseur*innen und andere, die seit Mitte Dezember im Lockdown sind. Es ist unverantwortlich, dass Unternehmen, die seit Wochen null Einnahmen haben, bis fast Mitte Februar nicht einmal einen Antrag auf Wirtschaftshilfen stellen konnten. Zudem hat das Hilfen-Chaos der letzten Monate, das Peter Altmaier und Olaf Scholz zu verantworten haben, zu einer dermaßen großen Verunsicherung und Unübersichtlichkeit geführt, dass selbst Steuerberater*innen vielfach nicht mehr wissen, welche Hilfen sie den Unternehmen zu welchen Konditionen beantragen sollen.

Infolgedessen sind Hilfsprogramme bei vielen Betroffenen bislang entweder gar nicht, in zu geringem Umfang oder zu spät angekommen. Es braucht eine klare und verbindliche Kommunikation, wie die Hilfen funktionieren.

Es wäre anders gegangen. Bereits im Frühling hatten wir von der Bundesregierung ein durchgängiges Hilfen-Programm für die gesamte Dauer der Corona-Pandemie gefordert. Mit niedrigen Zugangshürden, einer umfassenden Übernahme von nicht vermeidbaren Betriebskosten und einer Existenzsicherung in Form eines Unternehmerlohns.

Stattdessen haben Altmaier und Scholz fatalerweise immer wieder auf zeitlich befristete Programme mit ständig wechselnden Konditionen und komplizierten Antragsbedingungen gesetzt: Soforthilfe, Überbrückungshilfe I, Überbrückungshilfe II, Novemberhilfe, Dezemberhilfe und jetzt Überbrückungshilfe III – und auch diese mit mehrfach überarbeiten Konditionen.

Bei der Vielzahl der Hilfsprogramme blickt kaum noch jemand durch. Und zu viele Unternehmen sind bei zu hohen Zugangshürden durchs Raster gefallen.

Zudem hatte die Bundesregierung viele der betroffenen Branchen lange nicht auf dem Schirm. Die speziellen Rettungsprogramme für die Kultur kamen spät, der Runde Tisch zur Innenstadtrettung im Herbst noch später. Statt viel Geld in Form einer ineffektiven Mehrwertsteuersenkung zu versenken, hätte auch hier früh und zielgerichtet gegengesteuert werden müssen.

Um eine erhebliche Insolvenzwelle im Handel, in der Gastronomie, der Kultur und bei vielen weiteren betroffenen Unternehmen zu verhindern, braucht es jetzt endlich eine Offensive für Wirtschaftshilfen, die wirklich helfen.

Es ist gut, dass die Bundesregierung sich mit der Überbrückungshilfe III nun für ein Programm entschieden hat, das immerhin bis Juni eine Perspektive gibt und deutlich erleichterte Zugangsbedingungen bietet. Es ist dringend notwendig, dass Hilfen in der Krise schnell bei den Unternehmen ankommen.

Aber auch jetzt reichen die Hilfen nicht aus. Noch immer können Unternehmen nur 90 Prozent der Fixkosten erstattet bekommen, selbst wenn sie aufgrund der Corona-Maßnahmen vollständig schließen müssen und somit einen Umsatzrückgang von 100 Prozent zu verzeichnen haben. Bei der Dauer der Krise können auch 10 Prozent der Fixkosten eine enorme Bürde darstellen. Besonders für Soloselbstständige und Kleinstunternehmer*innen ist die fehlende Anerkennung von Lebenshaltungskosten in Form eines Unternehmerlohns frustrierend und geschäftsgefährdend.

Wir fordern deshalb:

1. Wer 100 % Umsatzausfall hat, muss auch 100 % der Fixkosten erstattet bekommen

Es ist unverständlich, dass die Bundesregierung den maximalen Erstattungsbetrag auf 90 Prozent der Kosten deckelt. Unternehmen, die seit Monaten geschlossen haben, sollten die volle Höhe an erstattungsfähigen Kosten beantragen können – die Reserven für Eigenanteile sind längst aufgebraucht (gilt für Kleinbeihilfen bis 1,8 Millionen Euro).

2. Ein echter Unternehmerlohn für Soloselbstständige

In Rahmen der Hilfen muss grundsätzlich ein existenzsichernder Anteil für die Lebenshaltungskosten abrechenbar sein, genauso wie die Anerkennung von Krankenkassenkosten. Das gilt auch rückwirkend, für die Hilfen, die noch beantragt werden können.

3. Höhere Personalquote bei den erstattungsfähigen Fixkosten

Für Unternehmen mit erheblichen Umsatzausfällen soll ein deutlich höherer Anteil der Personalkosten im Rahmen der Hilfen abgerechnet werden können. Bislang ist dieser Anteil auf 20 Prozent gedeckelt. Betriebe brauchen allerdings teilweise bei geringerer Kund*innenzahl dieselbe Anzahl an Beschäftigten. Mit einem einfachen Nachweis sollte möglich sein, dass diese im Rahmen der Hilfen einen entsprechenden höheren Personalkostenanteil abrechnen können.

4. Abschlagszahlungen erhöhen

Viele Unternehmen brauchen endlich Liquidität, doch die Hilfen kommen nicht. Rücklagen sind oft längst aufgebraucht. Damit die Unternehmen die Dauer bis zur Auszahlung der Hilfen besser überbrücken können, soll die Abschlagszahlung auf 75 Prozent (derzeit 50 Prozent) der beantragten Summe erhöht und schnell verfügbar gemacht werden. Der maximale Abschlag in Höhe von 100.000 Euro bleibt bestehen.

5. Unternehmen bei Tilgung von Krediten von Gewerberäumen unterstützen

Unternehmer*innen, die ihre Gewerberäume gekauft und über Kredite finanziert haben, haben anders als Mieter von Gewerberäumen bislang nicht die Möglichkeit, die monatliche Kreditrate im Rahmen der Hilfen abzurechnen und können deshalb in Liquiditätsschwierigkeiten kommen. Denn nicht allen gelingt es, eine Stundung zu verhandeln. Damit wird ein Teil der Unternehmer*innen von den Programmen kaum erreicht. Für diese Fälle sollten Tilgungen aus den Hilfen finanziert werden können. Diese Tilgungen sollten dann, wie ein Kredit, mit langen Fristen und zinsfrei zurückgezahlt werden müssen, damit keine Ungleichbehandlung entsteht (gilt für Kleinbeihilfen bis 1,8 Millionen Euro).

6. Großzügige Stundungen bei Rückzahlungen der Hilfen

Viele kleine Unternehmen und Soloselbstständige haben im Frühjahr Hilfen beantragt, die über das Volumen hinausgehen, das sie tatsächlich abrechnen können. Nach einem Jahr Coronakrise und schlechten Hilfsprogrammen können viele kleine Unternehmen die Hilfen aktuell nicht zurückzahlen. Es braucht jetzt eine offensive Ankündigung der Bundesregierung, dass für die Rückzahlungen der Soforthilfen großzügige Bedingungen und Fristen ermöglicht sowie die Kriminalisierung bei Verwendung für den Lebensunterhalt vermieden werden soll.

7. Erhöhung des Kurzarbeitergeldes auf 90 % des Nettolohns für niedrige Einkommen

Für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen sind die bisherigen Zahlungen des Kurzarbeitergeldes oft zu gering. Für Unternehmen ist nach einem Jahr Krise eine Aufstockung oft nicht mehr möglich. Es braucht deshalb eine Anhebung des Kurzarbeitergeldes für niedrige Einkommen auf 90 Prozent sowie die Einführung eines Mindestkurzarbeitergeldes in Anlehnung an den gesetzlichen Mindestlohn.

8. Ausweitung des Zeitraums für Verlustrückträge

Um das wichtige Instrument des Verlustrücktrages insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen wirklich effektiv zu machen, sollte der Zeitraum ausgeweitet werden: Für Verluste des Jahres 2020 sollte ein Rücktrag auf bis zu vier Jahre, also maximal bis 2016 gelten (für Verlustrückträge bis 5 Millionen Euro). Denn die von Scholz angekündigte reine Erhöhung des Verlustrücktrages auf 10 Millionen Euro hilft vielen – insbesondere kleineren – Unternehmen kaum.

9. Keine Benachteiligung von Expansionen in der Krise

Bei Unternehmen, die sich im vergangenen Jahr durch ein neues oder größeres Ladenlokal vergrößert haben, braucht es klare und eindeutige Regeln. Die Expansion darf nicht zu einer Benachteiligung bei den Hilfen führen. Das muss klargestellt und unbürokratisch geregelt werden.

10. Förderung der Beratung für Kleinstunternehmen mit Blick auf Insolvenzverfahren

Wir fordern eine Förderung der Beratung für Kleinstunternehmen, um diesen im Umgang mit den Folgen der Krise ihre Handlungsoptionen, auch im Rahmen eines möglichen Insolvenzverfahrens, aufzuzeigen und die bestmögliche Lösung für deren individuelle Situation zu finden.

11. Für Transparenz und Verlässlichkeit: Ein Stufenplan für die Pandemie

Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Zumindest mit Blick darauf anhand welcher Kriterien Politik ihre Entscheidungen für die Verschärfung oder Lockerung von Corona-Maßnahmen misst. Seit Wochen gibt es keine klare Kommunikation der Bundesregierung zu den Zielen und Maßgrößen, die Grundlage ihrer Entscheidung sind. Ein Stufenplan, der bundesweit einheitliche Regelungen für das Infektionsgeschehen angepasst auf regionale Entwicklungen gibt, könnte hier endlich Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Vertrauen schaffen.

 

 

 

Anton Hofreiter MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fraktionsvorsitzender

Katrin Göring-Eckardt MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Fraktionsvorsitzende

Annalena Baerbock MdB, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Parteivorsitzende

Robert Habeck, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Parteivorsitzender

Anja Hajduk MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende

Katharina Dröge MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sprecherin für Wirtschaftspolitik

Claudia Müller MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mittelstandsbeauftragte

Dieter Janecek MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft

Manuela Rottmann MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Obfrau im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Danyal Bayaz MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Leiter des Wirtschaftsbeirats und Startup-Beauftragter

Erhard Grundl MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher für Kulturpolitik