EU Industriestrategie: Verpasste Chance statt ambitionierter Umbau

Veröffentlicht am 5. Mai 2021

Zum Update der Europäischen Industriestrategie erklären Henrike Hahn, MdEP und industriepolitische Sprecherin und Stellvertretende Delegationsleiterin der Europagruppe von Bündnis 90/Die Grünen und Dieter Janecek, MdB und Sprecher für Industriepolitik und Digitale Wirtschaft:

Zitat Dieter Janecek:

„Wir begrüßen, dass die EU-Kommission mit Blick auf die Halbleiterkrise jetzt Tempo machen will. Um kritische Abhängigkeiten zu verringern, ist das Ziel, die europäische Kapazität im Bereich der Halbleitertechnologie auf mindestens 20 Prozent der weltweiten Produktion auszubauen von grundlegender industriepolitischer Bedeutung – vorrangig in den Bereichen, in denen wie bei Halbleitertechnologie für industrielle Anwendungen bereits eine starke europäische Stellung besteht. Hierzu müssen Investitionen entlang der Halbleiterwertschöpfungskette in Ausrüstung und Materialien, Forschung, Entwicklung und Design, fortschrittliche Fertigung und Verpackung erhöht werden.

Wir teilen die Einschätzung der Kommission, dass mehr für das Gelingen der digitalen Transformation unternommen werden muss, wenn wir nicht zurückfallen wollen. Dafür hätte es aber nicht erst die Coronapandemie gebraucht, das ist schon seit Jahren absehbar. Hinzu kommt, dass die EU-Kommission gänzlich ökologische Auswirkungen der Digitalisierung ausgeklammert hat. Wir haben hingegen vorgeschlagen, eine EU-Green-IT-Strategie und eine IT-Ökodesign-Richtlinie einzusetzen und einen europäischen Umweltstandard für Rechenzentren zu entwickeln. Hier jetzt nicht aktiv zu werden, heißt erneut, Zeit zu verlieren.

Das Investitionsziel bzw. die Kopplung von 37 Prozent der Wiederaufbaugelder an „grüne Investitionen“ ist zu zaghaft. Mit Spannung erwarten wir die Vorschläge von starken und wirkungsvollen Instrumenten vor der Sommerpause – denn darauf wird es wesentlich ankommen, wenn wir den Europäischen Binnenmarkt nach innen und außen hin stärken und wettbewerbsfähig halten wollen.

Der Europäische Green Deal ist ein großer Schritt hin zur Umsetzung der Pariser Klimaziele und Rahmen aller Anstrengungen – aber die Bundesregierung steht auf der Bremse und kommt nur zögerlich hinterher. Das Karlsruher Urteil war eine verdiente Klatsche und hat hoffentlich den überfälligen Startschuss für ein wirklich wirksames Klimaschutz gesetzt – aber das alleine wird nicht reichen. Die Bundesregierung muss auch dringend ihre Blockade gegen die Stärkung der EU beenden und ausreichend finanzielle Mittel für den Green Deal zur Verfügung stellen. Nur mit einer starken, resilienten und handlungsfähigen EU hat Deutschlands Industrie gute Zukunftsaussichten!“

Zitat Henrike Hahn:

„Die EU-Kommission verpasst die Chance, die EU ohne Wenn und Aber an den Spitzenplatz für Klimaschutz auf einem klimaneutralen Weltmarkt zu setzen. Die EU-Kommission setzt noch zögerlich auf Pilotprojekte, wo wir bereits klare politische Signale und schnelle Entscheidungen für Investitionen in den Umbau zu grüner, wettbewerbsfähiger Wirtschaft brauchen. Klimaschutz ist Jobmotor und Konjunkturprogramm. Bei der Umsetzung des Green Deals auf dem Weg zur Klimaneutralität erwarten wir von der Kommission eine klare Haltung.

Wir brauchen Investitionen in Energie- und Ressourceneffizienz, den Ausbau Erneuerbarer Energien und der Kreislaufwirtschaft. Jetzt ist die Chance, in Europa auf E- Mobilität zu setzen, auf neueste Batterietechnik und die emissionsfreie Produktion von Stahl, Zement und Chemie. Wir müssen jetzt die Chance ergreifen, die EU zur Marktführerin in energieeffizienten, ressourcenschonenden industriellen Prozessen und Spitzentechnologien zu machen. Wir brauchen den Startschuss für eine klimaneutrale, wettbewerbsfähige grüne Industrie mit Mut für Innovation – wesentlich klarer als die Kommission das heute in ihrer Industriestrategie vorgelegt hat.”