Digitalisierung mit der Union nur im Schneckentempo

Veröffentlicht am 7. September 2021

Das CSU-geführte Verkehrsministerium hatte zum Ziel sich für schnelles Internet für jede*n einzusetzen. Zum Ende der Legislaturperiode zeigt sich aber auf Nachfrage der Grünen (Drucksache 19/31922), dass wir in Deutschland und insbesondere im Freistaat Bayern immernoch weit entfernt sind von diesem Ziel. Gerade im ländlichen Bayern ist das Internet oft noch zu lahm. Deutschland ist in allen europäischen und internationalen Vergleichen weit abgehängt (z.B. OECD Digital Economy Outlook 2020). Auch die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel gesteht mittlerweile ein, dass wir nach 16 Jahren (!) unionsgeführte Regierung große Versäumnisse bei der Digitalisierung haben.

Schnelles Internet essenziell für die digitale Transformation

Die Große Koalition wollte sich laut Koalitionsvertrag für eine „flächendeckende digitale Infrastruktur von Weltklasse“ einsetzen. Verkehrsminister Andreas Scheuer war dabei für die Umsetzung und den Breitbandausbau zuständig. Die Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigt aber, dass wir in den letzten Jahren Digitalisierung nur im Schneckentempo erlebt haben. Deutschland ist beim Ausbau der digitalen Infrastruktur als auch beim Einsatz digitaler Technologien und Dienstleistungen hinter viele andere OECD-Staaten zurückgefallen. Dabei hat gerade die Corona-Pandemie deutlich gemacht, dass flächendeckend schnelles Internet für die digitale Transformation, für unsere Gesellschaft und Wirtschaft als Daseinsvorsorge unverzichtbar ist. Digitales Lernen in Schulen und Hochschulen kann nur mit ausreichend Internetbandbreite funktionieren. Digitalisierung ermöglicht nicht nur Homeoffice, sondern auch den Einsatz neuer Technologien, wie beispielsweise autonomes Fahren, KI-gestützte Produktionsprozesse oder Telemedizin und vieles mehr.

Breitband im OECD-Vergleich

Internet-Geschwindigkeiten im OECD-Vergleich (2020), Broadband Portal, https://doi.org/10.1787/888934191369

Ländliche Regionen werden abgehängt

Insbesondere der Ausbau von schnellem Internet im ländlichen Raum ist für private Anbieter nicht profitabel genug. Das Bundesförderprogramm für den Breitbandausbau wollte hierfür Abhilfe schaffen. Kommunen, Städte oder Landkreise können seit 2015 Fördermittel für Beratungsleistungen und Bauvorhaben beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur beantragen. Allerdings schafft es dieses Förderprogramm nicht schnell genug dem Marktversagen entgegenzusteuern. Im ländlichen Bayern haben mehr als 11 Prozent der Haushalte (119.000) noch immer eine Internet-Geschwindigkeiten von nur unter 50 Mbit pro Sekunde. Obwohl Internet-Geschwindigkeiten von mindestens 200 Mbit/s empfohlen werden kommen ein Viertel der bayerischen Haushalte auf dem Land (270.000) noch nicht mal an die 100 Mbit/s ran. Besonders betroffen sind die Gemeinden Allmannshofen (Kreis Augsburg), Hitzhofen (Kreis Eichstätt), Oberpleichfeld (Kreis Würzburg) und Weichering (Kreis Neuburg Schrobenhausen), wo quasi alle noch mit Internetgeschwindigkeiten von nur unter 50 Mbit/s ausgestattet sind. Damit haben Unternehmen in diesen Regionen zunehmend Standort- und Wettbewerbsnachteile.

Weitere vier magere Jahre Verkehrsminister Andreas Scheuer können wir uns beim Breitbandausbau in Bayern nicht mehr leisten.

Konstruktionsfehler des Förderprogramm

Verständlicherweise kann eine Förderung des Ausbaus digitaler Infrastruktur erst längerfristig Wirkung entfalten. Aber der lahme Mittelabfluss und der hohe Verzicht auf Fördermittel in Millionenhöhe, vor allem von kleinen Gemeinden und Kleinstädten, sind klare Indizien für einen folgenreichen Konstruktionsfehler beim Bundesförderprogramm. Seit 2015 sind in Bayern gerade mal 11 von insgesamt mehr als 160 geförderten Bauvorhaben fertiggestellt. Das sind weniger als sieben Prozent. Vom Fördervolumen in Höhe von mehr als 450 Mio. Euro sind bisweilen nur zehn Prozent, 47 Mio. Euro, abgeflossen. Mehr als 30 Gemeinden und Kleinstädte verzichten sogar auf die Zuwendungen vom Bund und geben ihre Förderbescheide zurück. Das sind 20 Prozent der geförderten Bauvorhaben, die damit auf fast 43 Mio. Euro Fördermittel verzichten. Insbesondere für kleine Gemeinden in ländlichen Regionen ist das Bundesförderprogramm einfach unattraktiv – zu aufwändig und der Eigenanteil ist insbesondere für kleinere und strukturschwächere Kommunen schlichtweg nicht finanzierbar. Damit verfehlt das Förderprogramm auch seinen Zweck bei der digitalen Infrastruktur und Teilhabe für gleichwertige Lebensverhältnisse zu sorgen.

Schnelles Internet überall

Es kommt nun darauf an, kleine und mittelständische Unternehmen, Arbeitnehmer*innen, Studierende sowie Haushalte mit Schulkindern gerade in ländlichen Regionen schneller und einfacher an verlässliches und schnelles Internet anzuschließen um beim digitalen Strukturwandel nicht abzuhängen. Deshalb muss eine Vereinfachung und Beschleunigung des Förderprogramms her. Fördergelder müssen unbürokratisch dort ankommen, wo sie am nötigsten gebraucht werden und der Rechtsanspruch auf schnelle Internet-Grundversorgung muss mit Mindestbandbreiten so ausgestaltet sein, dass er leicht durchsetzbar wird. Egal ob Stadt oder Land, ob mobiles Arbeiten, innovative Wirtschaft oder Unterricht – schnelles Internet ist die essenzielle Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe sowie gleichwertige Lebensverhältnisse und gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge.

Die deutsche Digitalpolitik braucht dringend einen umfassenden Neustart um das Digitalisierungs-Chaos zu beenden.

Weitere Informationen