Datenpolitik der Bundesregierung: eine Sammlung von Maßnahmen, leider ohne Vision und ohne Plan

Veröffentlicht am 16. Februar 2021

Die nun endlich vorgelegte Datenstrategie bildet ein weiteres Puzzleteil in der Datenpolitik der Bundesregierung. Sie soll eine Innovationsstrategie für gesellschaftlichen Fortschritt sein. Sie hat zum Ziel den Datenschatz in Deutschland zu heben sowie Deutschland zum Vorreiter für datengetriebene Innovationen und das Teilen von Daten in Europa zu machen. Ob es sich bei der vorgelegten Strategie kurz vor Ende der Legislatur um mehr als eine Problem-Beschreibung handelt bleibt abzuwarten. Angesichts der kürze der Zeit ist fragwürdig, wie viel der darin genannten Maßnahmen noch in konkrete gesetzgeberische Initiativen übersetzt werden können. Der Datenstrategie ist zu attestieren, dass sie nur eine Sammlung von Maßnahmen, ohne Vision und ohne Plan ist.

Deutschland mag ein Land der Ingenieurskunst sein, das Land der Datenanalyse ist es noch nicht.

Die aktuelle Pandemie zeigt wie in einem Brennglas, wie dringend wir das hehre Ziel der Bundesregierung erreichen müssen, die Chancen, die in der Analyse von Daten liegen für die Gesellschaft zu nutzen. Die Pandemie zeigt gleichzeitig aber auch wie wir in Deutschland bei Digitalisierung und Datenanalyse derzeit dastehen – nämlich nicht besonders gut. Wir wissen bis heute nicht, wo und in welchem Verhältnis Infektionen entstehen und sich verbreiten, weil wir auch ein Jahr nach der Pandemie keine zuverlässigen Daten erhoben haben.

Chancen der Datennutzung

Die Chancen der Nutzung von Daten liegen mittlerweile auf der Hand. Wenn Daten innovativ, verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert genutzt werden hilft das den Menschen, der Wirtschaft und der Natur. Wir kennen durch die Corona-Warn-App auch weitere Beispiele durch die Modellierung eines Pandemieverlaufs oder die zeitnahe Nutzung von Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten für eine evidenzbasierte Wirtschaftspolitik, oder eine datenbasierte Landwirtschaft zur Schonung von Ressourcen und den reduzierten Einsatz von Düngemitteln, oder mithilfe von brandaktuellen Mobilitätsdaten zur Stauvermeidung und für klimafreundliche Verkehrskonzepte. All diese Beispiele sind angewiesen auf die Verfügbarkeit und den Zugang zu verlässlichen Daten, die verantwortungsvoll genutzt werden können und so gesellschaftlichen Mehrwert schaffen!

Probleme richtig erkannt und Ziele korrekt benannt

Die nun endlich vorgelegte Datenstrategie der Bundesregierung beschreibt aber die noch vorherrschenden Mängel beim Thema Datenzugang zutreffend. Gerade neben Vertrauen in IT-Sicherheit und einem Bewusstsein über den Mehrwert von Daten fehlt es auch an Datenkompetenz – sowohl in der Wirtschaft als auch in den Bundesbehörden. Zudem wird auch die Datenkonzentration bei wenigen großen Playern korrekt als Problem benannt. Diese in der Entstehung befindlichen Datenmonopole gilt es zu Gunsten von fairen digitalen Märkten zu verhindern.

Die entscheidende Frage ist nun aber: Hält die Strategie, was sie verspricht? Und wird sie das nötige Vertrauen in das Teilen und Nutzen von Daten schaffen? Kann sich unsere Wirtschaft darauf verlassen, dass sie ihre Daten sicher teilen und von anderen Akteuren nutzen lassen können, u.a. für neue innovative und auch gemeinwohlorientierte Geschäftsmodelle?

Der große Befreiungsschlag für die deutsche Datenpolitik ist die Datenstrategie sicher nicht.

Die Datenstrategie liefert hierfür nur einen Schritt in die richtige Richtung. Die Bundesregierung hat lediglich eine lange Liste von Maßnahmen vorgelegt, die sicherlich wichtige Aspekte benennt. Aber unter den darin insgesamt 234 aufgelisteten Maßnahmen befinden sich Dopplungen und manches ist auch einfach nur ein Unterstützungsbekenntnis von Vorhaben auf europäischer Ebene, wie dem Digital Services Act, Digital Markets Actoder Data Governance Act. Deutlich mehr als die Hälfte der gelisteten Maßnahmen sind dabei bereits am Laufen (145) und nur 87 Vorhaben wirklich neu, bzw. in Planung (es sind sogar zwei Maßnahmen gelistet, die bereits erledigt sind). Vielmehr handelt es sich bei der Datenstrategie um ein planloses Status-Update über laufende Vorhaben. Der Blick in die Zukunft mit priorisierten Projekten und klarem Zeithorizont wird nicht wirklich gewagt. Gerade Maßnahmen um das Teilen nicht-personenbezogener Daten zu forcieren beschränken sich auf Standardsetzung und Prüfaufträge zu bspw. sektoralen Datenteilungspflichten oder einer möglichen weiteren Anpassung des Wettbewerbsrechts. Die Strategie ist allem in allem also sehr vorsichtig, ohne diskussionsanregende Vision.

Leerstellen der Datenpolitik

Die große Herausforderung für das Teilen von Daten bleibt auch von der Datenstrategie unangetastet: Es werden keine rechtssicheren Wege aufgezeigt, wie Unternehmen Daten teilen können, ohne Rechte Dritter zu verletzen/vorbehaltlich der Schutzrechte Dritter (Datenschutz, Geschäftsgeheimnisschutz). Hier muss die Bundesregierung endlich ran!

Eine Datenstrategie in Deutschland muss sich am Gemeinwohl ausrichten.

Außerdem fehlt die konsequente Ausrichtung auf das Gemeinwohl. Gerade der Zugang zu Daten ermöglicht nicht nur neue Geschäftsmodelle für innovative Start-ups, sondern auch gemeinwohlorientierte Anwendungen, ökologische und soziale Innovationen. So schlägt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auch die Gründung einer Innovationsstiftung für nachhaltige und soziale digitale Anwendungen vor. Unternehmen teilen ihre Daten allerdings überwiegend nur mit Kund*innen, viel seltener mit anderen Unternehmen oder gar Wettbewerbern. Hinzu kommt, dass gerade KMU zu einem geringeren Anteil am Datenaustausch beteiligt sind. Datenkooperationen zwischen staatlichen und wirtschaftlichen Akteur*innen sind hingegen bisher kaum vorhanden, obwohl der Staat über Datenbestände verfügt, die Grundlage für wirtschaftliche Innovationen sein könnten. Gerade im industriellen Bereich braucht es daher neue Ansätze, um eine kooperative Nutzung nicht-personenbezogener Daten zum Beispiel aus Entwicklungs- und Fertigungsprozessen über die Schaffung von klaren gesetzlichen Vorgaben für kooperative und dezentrale Datenpools und Datentreuhandmodelle zu ermöglichen.

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers klare rechtssichere Wege zum Daten teilen zu schaffen, die die Schutzrechte Dritter nicht verletzen. Hier ist die Datenstrategie zurückhaltend und bleibt beim vorsichtigen prüfen, abwarten und gucken, ob weitere Anpassung bspw. des Wettbewerbsrecht nötig sind.

Europas Chance in der Plattformökonomie liegt im Bereich Industrie 4.0

Europas Chance in der Plattformökonomie liegt im Bereich Industrie 4.0 und B2B-Plattformen. Felder also, in denen Deutschland und Europa schon heute bedeutend sind. Nach immer neuen Datenskandalen bekommen neue, Vertrauen und Sicherheit bietende Lösungen zunehmend Marktchancen. Hier liegt großes Potenzial für die deutsche und europäische (Digital)Wirtschaft!

Zum Glück hat sich die Regierung klar gegen Dateneigentumsmodelle wie von der CDU und gegen pauschale Datenteilungspflichten wie von der SPD ausgesprochen. Gerade mit Letzterem wäre das Vertrauen grundlegend erschüttert, wenn wir Gefahr laufen, dass gerade das branchenspezifische Wissen im industriellen Mittelstand und hiermit verknüpfte Daten den großen Internetkonzernen aus den USA und China auf dem Silbertablett geliefert werden.

Staatliche Aufgabe muss es sein, ein sicheres digitales Ökosystem für den vertrauensvollen Datenaustausch und eine europäische Dateninfrastruktur zu schaffen sowie rechtssichere Mittel und Wege zum Teilen von Daten bereitzustellen.