CO2 braucht einen Preis – ein CO2-Preis alleine richtet es aber nicht

Veröffentlicht am 12. September 2019

Wenn wir über Klimaschutz reden, könnten wir darüber sprechen, dass es eine moralische Pflicht ist, den Planeten für unsere Kinder und für nachfolgende Generationen zu erhalten. Wir könnten darüber sprechen, welche Konsequenzen der Klimawandel für Menschen in schon jetzt von regelmäßigen Dürren oder Überschwemmungen heimgesuchten Regionen haben.

Wir können aber auch schlicht ökonomisch und mit Blick auf die eigenen wirtschaftlichen Interessen über das Klima sprechen.

Wer das Klima nicht schützt, handelt auch ökonomisch fahrlässig

Wir wissen spätestens seit dem Stern-Report 2006 (Stern Review on the Economics of Climate Change), dass Klimaschutz weniger Geld kostet, als es kosten würde, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Demnach liegen die jährlichen Kosten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration schätzungsweise bei rund 1 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Die jährlichen Kosten des Klimawandels werden aber, wenn nicht gehandelt wird, dem Verlust von wenigstens fünf Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und Einflüssen berücksichtigt, könnten die Schäden auf 20 Prozent oder mehr des erwarteten globalen Bruttoinlandsprodukts ansteigen.

Die Grundaussagen des Reports wurden regelmäßig wissenschaftlich diskutiert und bestätigt. Laut dem fünften IPCC-Sachstandsbericht von 2013 gehen neunzig Prozent der umfassenden Studien und Modellrechnungen von teils drastischen ökonomischen Negativeffekten des ungebremsten Klimawandels aus.

Klimaschutz ist bezahlbar, die Folgen des Klimawandels sind es nicht

Die Zahlen zu den Kosten des Klimaschutzes werden im Wesentlichen auch von einer 2018 vom Bundesverband der Deutschen Industrie veröffentlichten Studie bestätigt. Eine nahezu vollständige Dekarbonisierung bis zum Jahr 2050 würde in Deutschland jährliche volkswirtschaftliche Kosten von 30 Milliarden Euro verursachen – also in etwa die bereits vom Stern-Report genannte Summe von rund ein Prozent des Bruttosozialprodukts.

Wir haben also einen relativ klaren Befund: Klimaschutz ist bezahlbar und rechnet sich ökonomisch. Ein ungebremster Klimawandel führt hingegen zu hohen bis katastrophalen ökonomischen Folgekosten. Und dennoch: regelmäßig wird die Mär von der angeblich drohenden Deindustrialisierung Deutschlands erzählt oder Arbeitsplätze gegen Klimaschutz ausgespielt. Leider auch von Akteuren wie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Mit der Veröffentlichung “12 Fakten zur Klimapolitik” im Rahmen der aktuellen INSM-Kampagne etwa erweist die Initiative den Mitgliedsverbänden und zugehörigen Unternehmen einen Bärendienst. Anstatt die Zeichen der Zeit zu erkennen und den nötigen Wandel als Innovationschance zu begreifen, werden vermeintliche Tatsachen als Fakten dargestellt, die sich nur allzu leicht entkräften lassen.

Die Erkenntnisse der Naturwissenschaft sind glasklar und eindeutig: wir müssen beim Klimaschutz handeln, und zwar mit höchster Priorität, mit größter Radikalität, wenn wir die schlimmsten Folgen einer unkontrollierten Klimakatastrophe – ergo: massive volkswirtschaftliche Kosten – vermeiden wollen.

Entschiedenes Handeln beim Klimaschutz heißt dabei: alle Sektoren, alle Bereiche, müssen mit der größtmöglichen Geschwindigkeit ihre CO2-Emissionen reduzieren. Die Zeiten von “Ja aber …” und “erstmal müsste man doch woanders” sind vorbei. Diesen Luxus haben wir uns in den letzten beiden Jahrzehnten verspielt.

CO2 braucht einen Preis

Wenn wir radikal umsteuern müssen, heißt das, dass wir alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen müssen. Für den bestehenden Emissionshandel im Energie- und Industriebereich benötigen wir deshalb schnellstmöglich einen CO2-Mindestpreis. Die Ausweitung des Emissionshandels auf bisher noch nicht erfasste Sektoren, ein möglichst globaler Emissionshandel, wäre ein potenziell wirkungsvolles Instrument, die Umsetzung würde aber schlicht zu lange dauern.

Weder die Einführung eines Mindestpreises für CO2-Emissionen noch eine CO2-Abgabe alleine reichen aus, um die Klimaziele zu erreichen. Insofern kann ein CO2-Preis nur ein Element eines Maßnahmenpakets sein. Dringend nötig ist der Abbau von umwelt- und klimaschädlichen Subventionen – derzeit immerhin rund 57 Mrd. Euro im Jahr.  In der Landwirtschafts- oder auch in Verkehrspolitik werden auch eine Reihe von ordnungspolitische Maßnahmen notwendig sein, z.B. zur Reduktion der Massentierhaltung oder für deutlich strengere CO2-Grenzwerte für PKW. Und natürlich braucht es mehr Forschungsanstrengung für klimafreundliche Innovationen und Markteinführungs-  und anreizprogramme. Anstatt an nicht mehr zukunftsfähigen Strukturen festzuhalten, müssen wir jetzt mutig auf Modernisierung setzen.

 

Dieser Text war für den Ökonomenblog der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft angefragt